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Übernahme NVA-Einheiten und Liegenschaften durch die BW
Übernahme NVA-Einheiten und Liegenschaften durch die BW
Hallo Leute, mich würde mal interessieren, ob es hier Zeitzeugen gibt, die die Übernahme der NVA durch die BW erlebt haben.
Wie lief das ab, also kam da in jede NVA-Einheit ein Übernahmeteam und hat das Kommando übernommen? Was passierte mit den vorhandenen Strukturen? also wurde dann z.B. der NVA-Kommandeur oder KpChef zunächst als Berater weiterverwendet (wenn er das wollte).
Wäre mal interessant zu erfahren wie Betroffene diesen in der Geschichte ja wohl einmaligen Prozess erlebt haben?
Das ist eine´sehr berechtigte Frage Top Of The Rock,
denn so einfach sind diese ja auch nicht auf den Abstellgleis geschoben worden, von Heute auf Morgen, oder ?
Im Oktober 1991, während des 13. Verhandlungstages im sogenannten Mauerschützenprozeß, brachen die Zuhörer im Gerichtssaal erst in ungläubiges Gemurmel, dann in schallendes Gelächter aus. Ausgelöst wurde es durch den Auftritt des ehemaligen Generalleutnants…
und eine " 480 seitige Dissertation " zur Erlangung der Doktorwürde, der Philosophischen Fakultät III, der Universität Regensburg
Horner, du bist ein Super-Spürhund :-) Danke für diese tollen Links.
Darüber hinaus würden mich aber durchaus immer noch Zeitzeugenberichte interessieren, wie das erlebt wurde. Wäre super wenn der eine oder andere seine Erinnerungen kurz schreiben würde.
Im Herbst 1990 hatte ich in Sonthofen als Hörsaalleiter einen der ersten Umschulungslehrgänge für Angehörige der NVA-Militärstreife zu betreuen, die als Feldjäger vorgesehen waren. Im Frühjahr und Sommer 1991 war ich dann mehrere Wochen im „Beitrittsgebiet“ zum Aufbau der damals noch „Feldjägerkommando“ genannten späteren Feldjägerkompanien in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt und ab Herbst 1991 war ich als Kompaniechef einer Feldjägerkompanie in der Ex-DDR eingesetzt.
Der Spiegel-Artikel beschreibt die eigentliche Übernahme der NVA recht gut.
Was ziemlich in Vergessen geraten ist: Zumindest nach meinen Erfahrungen wussten wir „ Wessis“ 1990 herzlich wenig von der NVA und dem Leben in der DDR. Wir kannten zwar die Gliederungen der Divisionen und den Einsatz der dort gebildeten BSA und ASB im Angriff, hatten aber keine Ahnung vom inneren Gefüge der NVA. Es begann schon beim Sprachgebrauch, die NVA hatte teilweise unverändert die Fachbegriffe der Wehrmacht übernommen, z.B. die Bezeichnung „Park“ für das, was die Bundeswehr einen „Technischen Bereich“ nannte. Dann gab es so merkwürdige Einrichtungen wie einen Militärstaatsanwalt und eigene Militärgefängnisse. Es war für uns als Feldjäger in den ersten Monaten recht schwierig, z.B. langgediente Ex-Volkspolizisten davon zu überzeugen, daß straffällige Soldaten nicht mehr bei uns zur Weitergabe an die Militärgerichtsbarkeit abgeliefert werden konnten, sondern daß diese den ganz normalen zivilen Strafverfolgungsbehörden überstellt werden mussten.
Ich habe mal ein paar Notizen herausgekramt, die ich mir Ende 1991 nach den ersten Wochen als Kompaniechef für einen Vortrag an der Feldjägerschule gemacht habe. Das sind natürlich nur Einzelaspekte, die aber recht gut die Situation in der ersten "wilden" Zeit wiedergeben:
"Personalsituation:
Offiziere (ohne KpChef): 1 aus Bundeswehr, 7 aus Ex-NVA
Unteroffiziere: 5 aus Bundeswehr, 54 aus Ex-NVA
Mannschaften: 1 aus Bundeswehr, 24 aus Ex-DDR, davon 17 Diensteintritt nach Wiedervereinigung
Die "West-"Soldaten sind quer durch alle Führungsebenen vom Kompaniechef über Zugführer, Kompaniefeldwebel bis zum Feldjäger-Streifenbegleiter eingesetzt. Die Masse der Soldaten wurde aber aus der ehemaligen NVA übernommen; der älteste davon ist 1944 geboren und hatte 27 Jahre Dienstzeit in dieser Armee hinter sich. Ein einziger dieser Soldaten brachte eine für den Feldjägereinsatz brauchbare Ausbildung mit, er war Angehöriger der Militärstreife. Die anderen sind Umschüler aus den verschiedensten Truppengattungen.
Die 7 ehemaligen NVA-Offiziere scheiden nach 2-jähriger Dienstzeit Ende 1992 / Anfang 1993 aus der Bundeswehr aus, keiner von ihnen wurde weiterverpflichtet.(Anmerkung dazu: eine Feldjäger-Kp hatte 1991 gem. StAN drei Zugführer-Offiziere, ich hatte damals deren acht. Es war ein Kunststück für sich, die überzähligen einigermassen vernünftig zu beschäftigen).
Die Unteroffiziere erhielten alle die Zusage der Übernahme als Berufs- oder Zeitsoldat unter dem Vorbehalt, daß keine Erkenntnisse über eine Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR zum Vorschein kommen.
Wir rechnen nach den bisherigen Erfahrungen damit, daß noch 40 – 50 % der ehemaligen Soldaten wegen solcher Aktivitäten ausscheiden müssen.
Im Durchschnitt muß ich bei meiner Kompanie etwa 4 - 5 Soldaten monatlich aufgrund einer Tätigkeit für die Staatssicherheit entlassen.
Die Umschulung der ehemaligen NVA-Soldaten geschah in 2 Schritten an der Schule für Feldjäger und Stabsdienst in Sonthofen:
a) Teilnahme an einem 4-wöchigen Umsetzerlehrgang, hier erfolgte eine grundlegende Einweisung in Aufgaben und Befugnisse der Feldjäger,
b) Teilnahme an Laufbahnlehrgang der jeweiligen Dienstgradgruppe:
- Unteroffizier: Unteroffizierlehrgang
- StUffz bis Stabsfeldwebel: Feldwebellehrgang
Zu dieser Umschulung sind zwei Anmerkungen erforderlich:
a) Da die NVA im Vergleich zur Bundeswehr sehr kurze Beförderungszeiten hatte, mußten zur Angleichung die meisten Dienstgrade um mindestens 2, teilweise auch 3 Stufen herabgesetzt werden. Heutige Unteroffiziere können also durchaus vor knappen 3 Jahren in der NVA noch Oberfeldwebel gewesen sein.
Auch die völlig anders geartete Dienstgradstruktur der NVA spielt hier eine Rolle. Die NVA setzte oft Unteroffiziere und Feldwebel dort ein, wo die Bundeswehr die gleichen Aufgaben von einem Hauptgefreiten wahrnehmen ließ. Offiziere, teilweise Stabsoffiziere, nahmen Tätigkeiten wahr, die bei der Bundeswehr von älteren Feldwebeln bewältigt werden. So gab es in den Verbänden Hauptleute und teilweise Majore als „Oberoffiziere Verpflegung“, in den Bataillonen der Bundeswehr kümmerten sich die Truppenversorgungsbearbeiter (Hauptfeldwebel) und die Verpflegungsgruppenführer (Oberfeldwebel) um diese Dinge.
b) Die Teilnahme an den Laufbahnlehrgängen mußte ohne Rücksicht auf das teilweise fortgeschrittene Alter der ehemaligen NVA-Soldaten erfolgen. So saß dann beim Feldwebellehrgang der 46-jährige Stabsfeldwebel (NVA) gemeinsam mit dem 24-jährigen Stabsunteroffizier (Bundeswehr) im Hörsaal. Welche Probleme dies bei der Ausbildung aufwirft, ist leicht vorstellbar.
Unser Bild der NVA war geprägt von den vorbildlich marschierenden Soldaten bei den Militärparaden in Berlin, wir stuften die NVA als hart und spartanisch ausgebildet ein.
Die uns im Osten heute täglich begegnenden Soldaten stellen sich zu oft ganz anders dar.
Innere und äußere Disziplin sind vielfach vollkommen zerfallen und können nur durch äußeren Druck aufrechterhalten werden.
Das Verhalten der älteren Soldaten ist häufig durch eine Mischung aus Autoritätsgläubigkeit, lähmender Antriebslosigkeit und der Unfähigkeit, selbständig im Sinne eines erhaltenen Auftrages zu handeln, gekennzeichnet. Den Kameraden gehen weithin Elan und Initiative ab.
Dieses Verhalten ist dabei tief in der Psyche dieser Menschen verwurzelt und durchaus nicht nur mit der derzeitigen Unsicherheit über das weitere Schicksal zu entschuldigen.
Ähnliche Beobachtungen lassen sich übrigens auch bei der gesamten Zivilbevölkerung der neuen Bundesländer machen und sind die Haupthindernissee bei der Lösung der im Osten anstehenden Probleme, nicht etwa nur der Mangel an Geld.
Seltsamerweise entwickeln aber genau die gleichen Soldaten ungeahnte Aktivitäten, wenn es
um ihre privaten Interessen und Ansprüche geht. Die sozialen Errungenschaften und wirtschaftlichen Vorteile der Wiedervereinigung wurden sehr schnell übernommen, ohne daß bisher die immer die entsprechenden Leistungen erbracht werden.
Zusammenfassend kann zur Beurteilung der meisten in die Bundeswehr übernommenen
Unteroffiziere gesagt werden:
Die Leute waren auf Grund ihrer ganzen Erziehung gewohnt, system-konformes Verhalten zu zeigen, weil sie dann die Sicherheit hatten, ihr ganzes Leben von einem autoritären Staat mit dem nötigsten Bedürfnissen, wenn auch in relativ engen Grenzen, versorgt zu werden.
Die Umstellung auf die freiheitliche Demokratie, in der man zwar prinzipiell alles erreichen kann, sich aber auch selbst darum kümmern muß, haben viele noch nicht verkraftet, Frustration und Minderwertigkeitsgefühle herrschen vor.
Dabei ist der Großteil der Bevölkerung entgegenkommend, gutwillig, oft zu vertrauensselig und mit einer großen Erwartungshaltung an die Segnungen der freien Marktwirtschaft.
Bemerkenswert schnell wurde diese geistige Umstellung dagegen von den jungen Unteroffizieren und Mannschaften vollzogen, die nicht mehr oder nur noch sehr kurz in der NVA dienten. Sie erfüllen weitgehend unsere Vorstellungen, was Initiative und Selbständigkeit betrifft, neigen dabei jedoch öfters zu Disziplinlosigkeiten und müssen überdurchschnittlich häufig disziplinar gemaßregelt werden.
Auch ein kleiner Teil der "alten" NVA-Soldaten hat diese Umstellung schnell vollzogen. Allerdings wurden gerade diese geistig beweglichen Soldaten sehr häufig von der Staatssicherheit angeworben und müssen bei Bekanntwerden dieser Tätigkeit entlassen werden.
Noch ein Wort zu den NVA-Soldaten, die aus der Armee freiwillig oder gezwungen ausgeschieden sind. Sie tun sich bei der allgemein im Osten herrschenden Arbeitslosigkeit ( In manchen Bezirken bis 30 %) sehr schwer, eine Beschäftigung zu finden. Erschwerend wirkt hier, daß die Ausbildung bei der NVA im Gegensatz zur Ausbildung bei der Bundeswehr, kaum zivil verwertbar ist.
So kommt es zu der grotesken Situation, daß der ehemalige stellvertretende Stabschef des Militärbezirks III - Leipzig, ein Oberst der NVA, jetzt als Arbeiter den Kasernenhof vor seinem ehemaligen Stabsgebäude fegt.
Zu dieser belastenden Situation trägt auch bei, daß die Frage der Pension bzw. der Rentenanrechnung noch nicht geklärt ist, da daß System der Altersversorgung bei der NVA völlig anders als bei der Bundeswehr geregelt war.“
Soweit meine damaligen Notizen. Aus heutiger Sicht und mit dem Abstand von 20 Jahren würde ich wahrscheinlich manches anders bewerten, aber das waren eben meine damaligen Eindrücke und Erfahrungen.
Noch ein paar Ergänzungen
Bis 1993 hat man im Beitrittsgebiet Schlüsselpositionen in den Einheiten oftmals doppelt besetzt: 1 Soldat West – Bundeswehr, 1 Soldat Ost – Ex-NVA, der auf diese Position nachrücken sollte.
Ich hatte z.B. 1992/1993 zwei Kompaniefeldwebel. Der als „Nachrücker“ vorgesehen Ex-NVA-Hauptfeldwebel mußte allerdings kurz vor der endgültigen Übernahme der Position Ende 1993 entlassen werden, weil seine Stasi-Tätigkeit entdeckt wurde.
Unser S-3 Stabsoffizier war ehemaliger Oberstleutnant der NVA, in die Bundeswehr übernommen als Major, Anfang 1994 dann unter Beförderung zum Oberstleutnant zum Kommandeur der damaligen FJgBtl 740 in Mainz gemacht. Das Ganze lief mit riesigem Publicity-Rummel ab: „Erster NVA-Offizier wird Bataillonskommandeur.“ Er war kaum zwei Monate im Amt, da kam seine Stasi-Verstrickung ans Tageslicht und er wurde gegangen.
Herzlichen Dank, Nemere, für diesen tollen Beitrag!! Genau so etwas wollte ich mal lesen, also Erfahrungen eines Betroffenen und wie er persönlich diese Situation drüben erlebt hat. Wirklich hochinteressant, vor allem die Aufzeichnungen, die du dir damals gemacht hast, das ist wirklich authentisch und ergibt ein unverfälschtes Stimmungsbild.
Ich selbst war damals VerDstFw in einem Kraftfahrausbildungszentrum und auch wir haben Personal in den Osten abgegeben. Aber da kam eigentlich wenig Feedback, wie es da abging, weil die Herren damit beschäftigt waren, ihr doppeltes Gehalt auszugeben bzw. ihre weitere Karriere zu planen weil ihnen gesagt worden war, wer in den Osten geht, verdreifacht seine Chancen BS zu werden. Was auch gelang, die Fw die rübergingen und BS eingereicht haben, sind es dann auch geworden.
Ich habe nur mal eine Versorgungsfahrt zu einer Dienststelle gemacht, wo einer unserer Fw tätig war. Das war dann aber schom Mitte 1991. Ich war geschockt über den baulichen Zustand der Liegenschaft! Wehrmachtskaserne im Originalzustand! Das Westpersonal wohnte daher auch im Hotel. Undichte Dächer, Duschen die nur ab- und zu funktionierten, alles verdreckt und schimmelig. Allerdings begann dann auch schon die Sanierung und ich kann mich erinnern, dass die Arbeiter alle "ein Strich, kein Strich" Jacken trugen. Mein Kumpel erzählte mir dann, dass die sich alle aus einem Bekleidungslager in der Kaserne bedient hatten, das aufgebrochen und geplündert worden war. Viele West-Soldaten brachten auch Säckeweise NVA-Klamotten mit aus dem Osten und verschenkten diese an Kameraden oder verkauften diese auch. Ich hab mir dann dieses Bekleidungslager auch mal angesehen und war ein weiteres mal schockiert, wie da mit wertvollem Material umgegangen wurde. Da standen einige Müll-Container, die voll mit neuwertigen, teils eingeschweisten Uniformen, aber auch Ausrüstung waren. Es hatte vorher geregnet und alles war nass. Mir wurde dann auch erzählt, dass auf dem Standortübungsplatz jede Menge Ersatzteile und Fahrzeugbatterien vergraben worden wären, nur um Platz in den Lagergebäuden für das neue West-Material zu bekommen.
Anfang 1991 hatten wir auch die ersten ex-NVA Offiziere zur Ausbildung. Sie waren allesamt Hauptleute und Majore SaZ2 und unglaublich zurückhaltend. Eine Unterhaltung war, zumindest mit uns Unteroffizieren nicht möglich. Dabei waren sie nicht etwa arrogant, sondern einfach nur einsilbig. Beim technischen Dienst trugen sie noch diese schwarzen Arbeitsanzüge mit einem kleinen aufgestickten, weißen Panzer auf der Brust. Die schwarzen Ledermützen die dazu gehörten waren als Souvenier bei uns sehr begehrt und wurden gegen alles mögliche eingetauscht.
Ich stelle mir gerade vor, wie erniedrigend die Situation eines NVA Majors gewesen sei, den Besen als einfachen Arbeiter in seinen damaligen unterstellten Standort, zu schwingen. Da sind bestimmt bei einigen die Welten zusammengebrochen und konnten sich nicht damit abfassen, das dieses auf einmal, so sei. Und die, die es geschafft haben, übernommen zu werden, mit der Angst zu leben, als angeworbener der Staatssicherheit aufgedeckt zu werden und dann alles wieder zu verlieren. Die psychische Belastung zu der Zeit der Umstellung, muss für einige ehemalige NVA Angehörige sehr schlimm gewesen sein.
Im Treppenaufgang des Stabsgebäudes der Schweriner Max-Bürger-Kaserne hängen wie in alten Zeiten Fahnen, Freundschaftsschleifen, Bestenwimpel und ein Holzbrett, auf dem in großen Messingbuchstaben steht: »Alles für den Sozialismus«. »Das wird hier wohl…
Da muss ja alles durcheinander gewesen sein, wenn man den Bericht so glauben schenkt.
.... weil die Herren damit beschäftigt waren, ihr doppeltes Gehalt auszugeben bzw. ihre weitere Karriere zu planen ...
Leider wurden in viel zu vielen Fällen ungeeignete Leute, die man im Westen glaubte entbehren zu können, in die Ex-DDR geschickt. Das waren dann die berüchtigten "Di - Mi - Do" Offiziere: Anreise am Montag-Abend, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag anwesend, Donnerstag abend wieder heim zu Frau und Kindern. Das ganze eine Zeitlang mit eigens eingerichteten Shuttleflügen von Dresden, Berlin oder Leipzig-Halle aus.
Ich war damals persönlich ungebunden und war in meinem Standort damals so ziemlich der einzige, der auch über das Wochenende im Osten blieb, um Land und Leute kennenzulernen.
Ich war geschockt über den baulichen Zustand der Liegenschaft! Undichte Dächer, Duschen die nur ab- und zu funktionierten, alles verdreckt und schimmelig.
Wir hatten in der Kaserne Gebäude, deren Dachböden zum Aufräumen nur unter ABC-Vollschutz betreten werden durfte, weil sich hier zahllose Tauben eingenistet hatten und alles voller Taubenkot und Taubenzecken war.
Zum Duschen gab es ein "Duschhaus", daß immer für halbe Tage einmal in der Woche den Einheiten zugeteilt wurde. Im Sommer 1991 haben wir uns mit einem Duschzelt, das aus dem Material eines TEP aufgebaut wurde, beholfen.
1994 hatte ich eine Zeitlang die zweifelhafte Ehre, nebenbei als Kasernenkommandant tätig zu sein. Eines schönen Tages tauchte der Hygienearzt des WBK auf und sperrte die Truppenküche, weil dort die Kakerlaken in Reihe marschierten und die Räume einfach nicht mehr sauber zu bekommen waren. Die Küche war Baujahr 1936 und seitdem nie saniert worden.
Die Sportanlage unserer Kaserne wurde 1938 für die Wehrmacht gebaut und seitdem nicht mehr renoviert, die Aschenbahn bestand tatsächlich noch aus grauer Schlacke und glich eher einer Geländelaufstrecke.
Noch schlimmer waren allerdings die von den russischen Truppen genutzten Kasernen, die wir während der Abzugsphase von 1991 - 1994 so nach und nach übernahmen. Ich hänge dazu einige Bilder an.
Zum Verschwenden von übernommenen NVA-Material: Hier ist sicher sehr vieles in dunkle Kanäle geschwemmt worden. Andererseits haben wir die ersten Jahre, teilweise noch bis lange nach 1995 manches aus NVA-Beständen aufgebraucht. Bis etwa 1995 sind viele Fahrzeuge weiterbenutzt wurden, die oft sehr willkommen waren. Z.B. die W 50 LKW, die als Ersatz für die eigentlich vorgesehenen LKW 2 t tmil (DB 508 d) genutzt wurden, waren um vieles brauchbarer. Auch Werkzeugsausstattungen usw. auf diesen Fahrzeugen waren deutlich stärker auf einen Einsatz im Gefecht ausgelegt, als dies bei der Bundeswehr oft der Fall war. Etwas abenteuerlich waren die zivilen Fahrzeuge, die wir aus Staatsbeständen für Nachforschungseinsätze usw. übernahmen. Dazu gehörten neben dem Wartburg auch Lada 1200 und Lad Niva, sowie Citroen CX und BX, da Citroen eine der wenigen westlichen Firmen war, die in der DDR Staatsaufträge erhalten hatte.
Bei den Funkgeräten hatten wir relativ lange als Handsprechfunkgeräte Modelle aus der UFT-Reihe, die deutlich leistungsfähiger als die SEM 52 waren, an deren Stelle sie getreten waren. Dumm war nur, daß man damit nicht in Funkkreise mit SEM 25 / 35 usw. eintreten konnte.
Kochgeschirre, Eßbestecke und ähnliches aus NVA-Beständen wurde noch viele Jahre lang an Wehrpflichtige ausgegeben, genauso wie die von Dir unten angesprochenen "Schwarzkombis".
Unerschöpflich war der Papiervorrat, den die NVA hinterlassen hatte. Ich glaube, wir haben noch im Jahr 2000 mit diesen gelblichen, oft ziemlich holzhaltigen Heften und Arbeitsblocks gearbeitet.
Dann gab es in jeder Kaserne umfangreiche Bibliotheken, deren Wert von den wenigsten erkannt wurde. Die DDR besaß eine hervorragende Buchproduktion, die allenfalls ab und zu vom Materialmangel gehemmt wurde. Die NVA wurde aber bevorzugt mit Büchern ausgestattet, die sonst auf dem Markt Mangelware waren. Diese Truppen- und Stabsbüchereien wurden dann nach der "Wende" verramscht. Man konnte jedes Buch für damals noch 10 Pfennige kaufen. Ich habe damals hunderte von Bänden abgeschleppt, darunter viele Jahrgänge der "Zeitschrift für Militärgeschichte" oder die Reihenwerke aus dem Militärverlag der DDR. Man muß zwar in diesen Büchern über das ideologische Gesäusel hinweglesen, aber diese Werke behandeln Themen, zu denen man sonst kaum etwas findet und erfüllen wissenschaftlich hohe Standards.
IDie psychische Belastung zu der Zeit der Umstellung, muss für einige ehemalige NVA Angehörige sehr schlimm gewesen sein.
Wir hatten damals einen steilen Anstieg der Selbstmordrate innerhalb der Bundeswehrtruppenteile im Beitrittsgebiet. Es gab eine ganze Reihe von Fällen, in denen ehemalige NVA-Soldaten ihrem Leben ein Ende setzten, nachdem man ihnen eröffnet hatte, daß sie wegen ihrer Tätigkeit für die Stasi aus der Bundeswehr ausscheiden müssen. Eine Betreuung durch Sozialarbeiter der Bundeswehr, Psychologen und / oder Militärpfarrer fand nicht statt, weil der Betreffende mit Eröffnung der Mitteilung über die Stasi-Mitarbeit nicht mehr Soldat war und damit kein Anspruch auf deren Dienste bestand. Im zivilen Umfeld waren solche Dienste damals noch überhaupt nicht aufgebaut. Zudem hätten wahrscheinlich die wenigsten der Betroffenen eine solche Betreuung akzeptiert, da es ihrem Selbstverständnis nicht entsprochen hätte, die Hilfe eines pschologisch geschulten Mitarbeiters oder gar eines Pfarrers in Anspruch zu nehmen - solche Leute wurden in der DDR nur bemüht, wenn jemand "verrückt" war.
Mir ist noch ein Fall in Erinnerung. Einem Oberfeldwebel, Fahrlehrer in einem Fernmeldebataillon, war kurz vor der Mittagspause bekannt geworden, daß er wegen der Erkenntnisse über seine Zuarbeit zur Staatssicherheit nicht weiter beschäftigt wird. Am Nachmittag sollte er sich dann bei seinem KpChef melden, konnte aber nicht gefunden werden. Er wurde schließlich in einer etwas abgelegenen Kfz-Halle gefunden. Er hatte eine hohe Bockleiter aufgestellt, war damit zum Dachgebälk der Halle hoch gestiegen, hatte einen Strick an einen Balken geknüpft und sich dann nach Wegtreten der Leiter erhängt. Die Stabsärztin des Bataillons, die wir hinzuzogen, sah wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem Leben einen "frischen" Toten. Sie fiel mir erst einmal um, als sie den Mann mit langgezogenem Hals und von total vollgepisst und vollgekackt von der Decke herabhängen sah.
Deine Beträge Nemere, haben bei mir voll eingeschlagen !!!
Wie konnten die Soldaten in diesen Schweineparadies überhaupt darin hausen, ohne irgendwelche Gesundheitsschädigungen davonzutragen Einfach unvorstellbar da es so etwas gab, da hat ja unser Vieh wie im Hilton gelebt, wenn ich das mal so vergleichen darf, Schock.
Sehr traurig ist die Geschichte des Oberfeldwebels, der nur noch den letzten Ausweg mit den Strick gefunden hat. Neu ist mir auch, wenn kirchliche Amtshilfe angenommen wurde, das dieses dann mit einen Zeichen von Irrsinn und Verrücktheit gezeugt haben soll.
Hier habe ich eine PDF-Datei, die davon berichtet, wie eine Stadt wieder zum Dorf wurde, weil kein militärischer Betrieb mehr vorhanden war und den Bürgen die Angst der Verwaisung, im Nacken saß.
Für einige war die Katapultierung der neuerworbenen Freiheit ein Glücksstrom, während andere in ein bodenlosen Gefälle, hieneingelangt sind, aus der es nicht gut herauszukommen, war.
Hallo Nemere,
was es bedeutet wenn die gewohnte Gesellschaftsordnung zusammenbricht in der man Aufgewachsen ist kann wohl nur verstehen der es selbst erlebt hat. Ich möchte mir nicht vorstellen, wenn umgekehrt die "alte BRD" in sich zusammengefallen währe und in der DDR aufgegangen währe. Eine "Gänsehautvorstellung" wenn ich mir vorstelle plötzlich in einem solchen Gesellschaftssystem aufzuwachen.
Und zu deinen Bildern der russischen Kaserne möchte ich noch anfügen: ich hatte im Jahre 1984 die Möglichkeit einen mehrwöchigen Urlaub in der DDR zu verbringen. Dort habe ich auch russische Truppen und ihre Unterkünfte gesehen, allerdings nur von aussen. Die Gebäude sahen von aussen so aus wie es deine Bilder von innen zeigen. Einfach nur erschütternd.
Nemere, vielen dank für deine Schilderungen dieses Zeitabschnitts aus erster Hand.
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