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Thema: Alarmstuhl

  1. #11
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    Ich habe während des kalten Kalten Kriegs in den 1980ern zwei NATO-Alarme bei einer Kampftruppenkompanie im Feldheer der BW mitgemacht. Dabei ging es weder um einen "Alarmstuhl" noch darum, in 3 Minuten marschbereit angetreten zu sein. Das ganze lief deutlich langsamer, aber auch realistisch-bedrohlicher ab. Nur mal ein Beispiel aus der Erinnerung:

    - Nachts Anruf vom S3 des Bataillons bei UvD der Kompanie: NATO-Alarm. Was dann zu tun war: UvD ruft Zugführer vom Dienst an (gem. Alarmkalender) und zusätzlich, falls erreichbar: Kompaniechef, KpTrpFhr und KpFw.
    - Die weiteren Schritte dann noch nachts im Stundentakt: Zugführer trifft ein, Anruf vom S3: Melder zum Stab, Melder holt Befehle, Zugführer vom Dienst alarmiert die Kompanie, antreten, pers. Ausrüstung verpacken. Was nicht mitgeführt wird, kommt in den Seesack zur Nachführung durch den Spieß oder verbleibt im Spind, um ggfs. den Angehörigen ausgehändigt zu werden.
    - Kompaniechef trifft ein. Inzwischen ist es füher Morgen. Die Fahrzeuge werden marschfertig gemacht, bleiben marschbereit im T-Bereich.
    - Tagsüber Dienst im Kasernenbereich. Alle Meldeketten sind sichergestellt. Waffenkammer ständig besetzt. Alkohol- und Ausgangsverbot.
    - Erst in der kommenden Nacht kommt dann der Befehl zum Ausrücken und Marsch in die Verfügungsräume (üb.), die auf dem StoÜb-Platz waren. Das eindrücklichste Erlebnis meiner Bw-Zeit: Wie innerhalb einer Stunde zwei komplette Bataillone mit bald hundert Kettenfahrzeugen aus der Kaserne ausrücken. Ich hatte UvD und blieb mit dem Nachkommando im Kp-Gebäude. Der nicht enden wollende Lärm der Panzer war unbeschreiblich.
    - Dann Übungsende.

    Ich denke, dass ein solcher Ablauf für einen Ernstfall realistischer war als eine "Alarmstuhl"-Fantasie als Reaktion auf einen "Angriff aus dem Stand". Diese Diskusssion hatten wir schon öfter. Eine gewisse Eskalationsphase mit entsprechender Vorbereitungszeit war wohl doch das wahrscheinlichste Szenario.

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  3. #12
    Cold Warrior Avatar von ed22ful
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    Moin suedbaden,


    ich denke aus meiner Sicht eher, das uns Rekruten in der AGA mal vorgeführt wurde, wie das ist, mitten in der Nacht "alarmmäßig" aufzustehen und zu schauen, wie wir reagieren.
    Zudem kann auch der Hintergrund eines z.B. Überfalls oder Einbruches in eine einzelne Kaserne simuliert worden sein und weniger ein NATO-Alarm bzw. das Schreckensszenario "Angriff des WP".

    Das von dir beschriebene Szenario spiegelt natürlich eher den wirklichen Ablauf ab, wie es im Fall der Fälle passiert wäre.


    ed


    "Warum darf ein Schützengraben nicht tiefer als 2m sein?
    Ab 2,50m ist mit Pionieren zu rechnen!"

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  5. #13
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    Bei uns gab es den Alarmstuhl auch. Zum Leidwesen meiner Frau konnte ich diese Gewohnheit bis Heute nicht ablegen :-D. Nato Alarm wurde in der AGA auch mehrmals durchexerziert; zur Freude mit uns in Münsingen beheimateten Artillerie, da wir dann zum Abschluß noch singend durch die Kaserne Joggen durften.
    Glück ab
    Nico

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  7. #14
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    Hallo suedbaden!
    Du hast vollkommen Recht! Zu einer richtigen Alarmierung gehört ein "bunter Faden" wie Du ihn beschrieben hast. Ich hatte das Vergnügen diesen vor der Auslandsverwendung meiner Kompanie im alten Jugoslawien kennen zu lernen.
    Grüße
    Nico

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  9. #15
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    Nicht jeder hatte einen Alarmstuhl. Das mal vorweg.
    Zumindest in den 80er Jahren gab es in den Kasernen einen Bereitschaftszug, der innerhalb einer bestimmten Zeit (10 min.?) abmarschbereit auf dem Ex-Platz/Sammelplatz zu stehen hatte. Dieser Zug war in meiner Kaserne aus den dort stationierten Truppenteilen zusammengestellt und hatte jeweils eine ganze Woche lang Dienst (ohne Alk, ohne Ausgang).
    Angehörige dieses Bereitschaftszuges hatten über Nacht den Alarmstuhl herzurichten.
    Kontrolliert wurde dieses Häuflein unangekündigt vom Feldwebel vom Wochendienst, dessen Herannahen uns aber stets rechtzeitig durch unsere mafiösen Strukturen im Wachlokal gemeldet wurden. Ein solches Exemplar hat uns mal angeblich beim Suff erwischt, was aber nicht der Fall war, wir waren ausnahmsweise ganz brav gewesen. Also haben wir uns beim nächsten "überraschenden" Kontrollbesuch dieses Herrn, der leider schon viel zu früh verstorben ist, in Unterwäsche um den Tisch gesetzt, eine Flasche Wasser auf dem Tisch, jeder ein sauberes Glas Wasser vor sich, die Alarmstühle perfektissimo hergerichtet und bei seinem Eintreffen in der Stube Soldatenlieder singend! Er fühlte sich zu Recht leicht vera... und hat dann aber doch über unsere Frechheit geschmunzelt - und uns nie wieder kontrolliert!
    Zu anderen Gelegenheiten kenne ich den Alarmstuhl nicht.
    "Active edge", den sog. NATO-Alarm, habe ich als GvD und später UvD zwei- oder dreimal mitgemacht. Wichtig dabei war, dass man den Alarmierungsordner griffbereit hatte und die erfoderlichen Telefonate führte. Dann konnte man nacheinander zu später Stunde allerlei lustige Dienstgrade auftauchen sehen, da aber ab einer gewissen Ebene nicht so recht wussten, was sie nun zu tun hatten. Und um die Funktionsfähigkeit der Alarmierungskette zu überprüfen, wurde jeden Abend ein Kontrollanruf zu einer ganz bestimmten Dienststelle getätigt, sobald zuvor der Kontrollanruf einer festgelegten anderen Dienststelle eingegangen war. Man hatte so das Gefühl, Teil eines wachsamen, ziemlich großen Systems zu sein. Und irgendwie stimmte das ja auch...
    Sonderwaffenlager Fischbach bei Dahn
    Interessengemeinschaft "area 1" -
    militärgeschichtlicher Verein e.V.
    www.ig-area-one.de

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  11. #16
    Cold Warrior Avatar von EmilBerggreen
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    Hallo zusammen,

    ist nach wie vor ein hochinteressantes Thema wie eine NATO-Alarmierung DEFCON-4 bis DEFCON-1 auf den unterschiedlichen Ebenen abgelaufen wäre.
    Demnächst würde ich gerne noch einiges dazu ergänzen.

    Alarmierungskette auf KpEbene
    Was mir noch fehlt, ist die Ansprache des KpChf beim Antreten der Kp vor dem Block:
    "Aufgrund von politischen Spannungen...in den frühen Morgenstunden hat der Warschauer Pakt mit...PzGrenBrig XY hat den Befehl erhalten..."
    Hierzu gibt es sicherlich einige "Klassiker", die in den 50 Jahren Kalter Krieg vermutlich immer wieder aufgetaucht sind.

    Gruss und Guten Rutsch!

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  13. #17
    Cold Warrior Avatar von EmilBerggreen
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    Moin zusammen,

    FROHES NEUES!!
    Ich weiß, es wurde schon öfter angesprochen aber vielleicht noch nicht strukturiert und in chronologische Reihenfolge gebracht? Here we go:

    Thema Alarmierung und Mobilmachung / V-Fall BRD – Mitte der 1980er Jahre
    Der Einfachheit halber ohne Beteiligung der Marine und mit Beschränkung auf das Territorium der BRD. Ohne nukleare Eskalation.
    Einzelphasen der NATO: Alarmierung – Mobilmachung – Aufmarsch und Herstellung der Abwehrbereitschaft

    Ausgangslage: politische Spannungen, militärische Eskalation nach kurzer/mittelfristiger Vorwarnzeit der einzelnen Stufen der Defense Conditions von DEFCON-5 bis DEFCON-1 (General Alert, COCKED PISTOL, Farbe Weiß)

    Vorfeld: Vorwarnung durch Militäraufklärung über feindliche Truppenaufmärsche, etc.

    Alarmierung der NATO-Kommandostäbe
    SACEUR (Supreme Allied Commander Europe/ Oberkommandierende des strategischen NATO-Kommandos Europa) – z. m. Zeit General Bernard W. Rogers – bereitet alle SHAPE-(Supreme Headquarters Allied Powers Europe/Oberstes Hauptquartier der Alliierten Streitkräfte in Europa) Kommandostellen AFNORTH und AFCENT auf die Kriegssituation vor. Die Befehlskette von AFNORTH und AFCENT (NORTHAG u. CENTAG) runter bis auf die Korps LANDJUT (AFNORTH) und I. NL-Korps, I. DE-Korps, I. UK-Korps, I. BE-Korps, V. US-Korps, VII. US-Korps und II. DE-Korps (alle AFCENT). Besondere Maßnahmen für NAEW (NATO Airborne Early Warning & Control Force Command), Allied Air Command (AIRCOM) und andere Stellen. Umsetzung der AirLandBattle-Doktrin unter besonderer Berücksichtigung der Luftverteidigung und Vorbereitung von FOFA-Schlägen gegen den Truppenaufmarsch der 2. Welle feindlicher WAPA-Kräfte i. d. Tiefe des feindlichen Territoriums

    Bundesregierung
    Bundesregierung ruft öffentlich den Verteidigungsfall/Landesverteidigung aus. Staatsgebiet ist davon bedroht, mit Waffengewalt angegriffen zu werden. Artikel 115 im Grundgesetz tritt in Kraft. Bundespräsident verkündet V-Fall formell im Bundesgesetzblatt. Übergang der Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr vom BMVg auf den Bundeskanzler (absurde Vorstellung: Helmut Kohl mit einer hohen Konzentration von Machtbefugnissen über die BW, wären m. M. n. bei einem Manfred Wörner besser aufgehoben)
    Die einzelnen Maßnahmen, die getroffen werden müssten, sind (mir) wenig bekannt. Je nach Konfliktlage und Ausbruch der Feinseligkeiten, Verhängung von Notstandsgesetzen. Bei unmittelbarer Bedrohung Umzug der Bundesregierung in die unterirdische Dienststelle Marienthal.

    Mob-Planung der Bundeswehr
    Bundesministerium der Verteidigung Alarmkette von Leitung, zentralen Stäbe und zivilen Abteilungen. Befehlsgebung nach Alarmierung. Mob-Planung nach jeweiligen Lagebildern.
    Alarmierung auf Divisions-, Brigade-, Bataillons- und Kompanie-Ebene

    Zivile Maßnahmen
    Inkrafttreten des zivilen Alarmplanes. Maßnahmenpaket für zivile Dienststellen nach Alarmkalender, Kriegsstationierungsplanung: Nutzung ziviler Objekte und Liegenschaften durch die Bundeswehr, Austausch von Informationen zwischen den zuständigen Alarm- und Mob-Bearbeitern der Kalenderführenden Dienststellen, u.v.m.

    Personelle und materielle Mobilmachung
    Durchgabe von Code-Wörtern („Blaue Affe“) über TV und Rundfunk. Kreiswehrersatzämter (KWEs) berufen n. vorhandenen Mob-Stellen und Bestand an Reservisten die Mob-Reserve ein. Feldjäger müssen große Ressourcen abstellen, um Wehrdienstverweigerer einzufangen. Mob-Ergänzungsplan an Kraftfahrzeugen. Einzug von Urlaubern und Reservisten d. BW. Einberufung der Territorialreserve
    "nach Verkündigung des Verteidigungsfalles bzw. nach dessen Eintritt haben Sie sich, ohne weitere Aufforderungen abzuwarten unverzüglich beim Truppenteil ...... zum unbefristeten Wehrdienst gemäß §4 Abs.1 Nr. 4 des Wehrpflichtgesetz zum Diensteintritt zustellen. Das gilt auch, wenn die Bundesregierung durch öffentlichen Aufruf (Fernsehen, Hörfunk, Presse) für die Alarmreserve geschlossen (ohne Rücksicht auf das Kennwort) oder einen Teil der Alarmreserve mit demselben Kennwort eine als Bereitschaftsdienst abzuleistende Wehrübung von unbestimmter Dauer anordnet.“

    Ereignisse an der Grenze
    Verlege-/Verschiebemanöver zwischen BW und BGS. Je nach Konfliktlage lösen BW-Einheiten die GSK (Grenzschutzkommandos) an der Zonengrenze ab und geleiten sie durch das jeweilige Korpsgebiet, um die grenznahe Verteidigung zu übernehmen: Verzögerungskräfte und aufmarschierende Deckungstruppen
    Magenheimer: Die Verteidigung Westeuropas, s. 65
    Grenzsicherung sowie Aufnahme des Verzögerungsgefechtes in der „Verzögerungszone“ durch sogenannte „Deckungskräfte“ (covering forces), um die Zeit für den Aufmarsch der Hauptkräfte zu gewinnen; der Geländegewinn des Angreifers soll hierbei möglichst gering gehalten werden. [siehe auch FAZ „Die Grenze der Bundesrepublik soll mit starken Verbänden vorne verteidigt werden“, 1982]
    Territorialheer sichert die „Rückwärtige Kampzone“ und die Operationsfreiheit der eingesetzten NATO-Verbände

    Aufmarschphase – Dislozierung der Heeresdivisionen
    Aufmarsch NATO-Truppen i.d. vorgesehen GDP-Räume
    „Deckungskräfte“ (Heeresreform IV) überwiegend PzAufklVbde Deckungskräfte spielen eine entscheidende Rolle dabei, wie lange und wie wirkungsvoll eine WAPA-Bodenoffensive verzögert werden kann.
    Verzögerungskampf soll von PzAufklBtl und US-PzAufkl („Black Horse“) geführt werden, die den Raum vorwärts des VRV decken sollten, also eine Verzögerungszone von ca. 10km. Für das Verteidigungskonzept ist das Abnutzungs- u. Bewegungsmodell vorgesehen.

    Ist das so einigermaßen vollständig oder habe ich wichtige Punkte vergessen?

    Okay, jetzt kann es wahrscheinlich niemand mehr hören aber ich wollte es wenigstens einmal noch einigermaßen strukturiert darstellen.

    Gruss

  14. Folgender Benutzer sagt Danke zu EmilBerggreen für den nützlichen Beitrag:

    Hecke (20.03.2016)

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  16. #18
    Cold Warrior Avatar von Nemere
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    Ich habe mir lange überlegt, ob ich zu diesem Beitrag etwas schreibe, weil das wahrscheinlich vom hundertsten in tausendste führt.

    Aber einige Dinge müssen doch angesprochen werden.

    Es fehlt vollkommen der politische Hintergrund. Wie hat sich die Lage entwickelt, welche diplomatischen Schritte wurden unternommen? Welche Entscheidungen wurden in den NATO-Gremien getroffen? Die Alarmierung fällt doch nicht vom Himmel!

    Alarmierung der NATO-Kommandostäbe
    Es fehlen:
    das III. (GE) Korps
    die CMBG
    Was ist mit den Franzosen, die ja immerhin bis 1989 das II. Korps in Deutschland stationiert hatten und den Einsatz der kompletten 1. Armee vorgesehen hatten. Seit 1985 gab es auch wieder verstärkt gemeinsame Einsatzplanungen, die in den Übungen FRÄNKISCHER SCHILD 1986 und KECKER SPATZ 1987 auch wieder intensiv geübt wurden – bis hin zum Verlegen der FAR aus dem Raum Paris nach Süddeutschland und Einsatz in Ostbayern.

    Wie ist der Alarmierungsstand der Luftstreitkräfte und der Luftverteidigung?
    Was ist mit REFORGER-Kräften, inwieweit ist deren Verlegung bereits angelaufen?
    usw., usw., usw.

    Bundesregierung
    „absurde Vorstellung: Helmut Kohl mit einer hohen Konzentration von Machtbefugnissen über die BW, wären m. M. n. bei einem Manfred Wörner besser aufgehoben“.
    Kohl hat nichts getaugt, aber Wörner wäre ein Katastrophe gewesen!
    Du hast Dich schon mal etwas näher mit Wörner befasst? Das war ein Profilneurotiker sondergleichen, der bei Leuten, die sich ernsthaft mit ihm befassten, nie anerkannt wurde. Er ließ sich ohne Prüfung der genauen Fakten von allen möglichen Leuten und Lobbyisten beeinflussen, die vor allem ihre eigenen Interessen vorantrieben und schaffte es gründlichst, das Vertrauen der Truppe zu untergraben – Stichwort Kiessling!

    Mob-Planung der Bundeswehr
    Wenn die Mobilmachungsplanung erst nach Verkündung des Verteidigungsfalles einsetzt, kann man gleich kapitulieren. Die Mobilmachungsplanung ist eine jahrelange Detailarbeit, die weit vor dem V-Fall abgeschlossen sein muß.

    Personelle und materielle Mobilmachung
    „Feldjäger müssen große Ressourcen abstellen, um Wehrdienstverweigerer einzufangen“

    Wehrdienstverweigerer oder Eigenmächtig Abwesende bzw. Fahnenflüchtige? Das ist rechtlich ein riesiger Unterschied! Kriegsdienstverweigerung ist auch nach Verkündung des V-Falles möglich (Art. 4 GG).

    Wie kommst Du denn auf die Idee, das die Feldjäger nach Verkündung des V-Falles, aber noch vor Abschluß des Aufmarsches „große Ressourcen“ abstellen um „Wehrdienstverweigerer einzufangen“? Wo hätten denn diese Kräfte für Nachforschungen herkommen sollen? Die Feldjäger hatten in dieser Phase nur eine Aufgabe und das war die Sicherstellung des Aufmarsches. ZDv 75/100 „Die Feldjäger in der Bundeswehr“, Nr. 513: „Für die Dauer des Aufmarsches werden alle bereits im Frieden aktiven sowie die schon verfügbaren mobilgemachten Feldjägerkompanien im militärischen Verkehrdienst eingesetzt.“
    Die aktiven Feldjägerbataillone waren hierbei im Verkehrsleitnetz Aufmarsch mit allen Kräften gebunden. Mehrere mobilzumachende Bataillone waren beim Gewässerübergang Rhein gebunden. Weiter ist anzumerken, dass selbst die aktiven Bataillone zu etwa 40 % mobilmachungsabhängig waren und dass die Geräteeinheiten weitgehend auch von der materiellen Mob.-Ergänzung abhängig waren.
    Erst wenn sämtliche Geräteeinheiten (11 komplette Bataillone und etwa 7 Kompanien bei den aktiven Bataillonen) vorhanden waren, wären evtl. Kräfte für Nachforschungen frei gewesen.

    „Einberufung der Territorialreserve“
    Was soll das denn sein?
    Du beschreibst den Aufmarsch Mitte der 1980er Jahre. Die Territorialreserve wurde 1965 abgeschafft und in Heimatschutztruppe umbenannt.
    http://www.bundesarchiv.de/cocoon/ba...4/para3_9.html

    Die Territorialreserve bestand nur wenige Jahre, etwa von 1963 bis 1965. Hier sollten seit Oktober 1963 Reservisten auf freiwilliger Basis für heimatnahe Sicherungsaufgaben gewonnen werden. Da sich nicht genügend Reservisten meldeten, wurde das Einberu-fungsprinzip bei der Heimatschutztruppe eingeführt.
    Nach der endgültigen Fusion von Heer und Territorialer Verteidigung 1970 wurde auch die Bezeichnung Heimatschutztruppe aufgegeben. Erst nach 1980 gab es wieder Truppen, die die Bezeichnung „Heimatschutz“ hatten (Heimatschutzkompanien und –Regimenter), aber keine Heimatschutztruppe als Truppengattung mehr.

    Ereignisse an der Grenze
    „Territorialheer sichert die „Rückwärtige Kampfzone“ und die Operationsfreiheit der eingesetzten NATO-Verbände.“
    Die Aufgaben des TerrH waren weit umfangreicher und entscheidend für eine erfolgreiche Gesamtverteidigung:
    - Aufrechterhalten der Operationsfreiheit (Insgesamt, nicht für die NATO-Verbände)
    - besondere Führungs- und Unterstützungsaufgaben (nur als Beispiel: Fernmeldeverbindungen, Sperrvorbereitungen, WHNS)
    - Sicherstellen der personellen Einsatzbereitschaft, der Logistik, der sanitätsdienstlichen Versorgung
    - Mittlerfunktion zwischen militärischen und zivilen Bereich
    - Unterstützung der zivilen Verteidigung (ZMZ)
    (HDv 100/100 – Truppenführung – Nr. 410, HDv 100/500 – Das Heer in der Militärischen Landesverteidigung – Kapitel 1)

    Es ist daher für den Ablauf von grundlegender Bedeutung wie weit die Mobilmachung des Territorialheeres bei Beginn der Kampfhandlungen gediehen ist, weil sonst nach kurzer Zeit weder die Anschlußversorgung noch die Verwundetenversorgung funktioniert, um nur zwei Beispiele zu nennen. Es wird immer gerne übersehen, welche Ausmaße das Territorialheer angenommen hätte. Ein WBK hätte nach Mobilmachung die Stärke von zwei bis drei Divisionen erreicht (nicht umsonst waren die WBK in den Heeresstrukturen 1 und 2 bis 1970 auf Korpsebene angesiedelt). Beispiel: das bayerische WBK VI hätte nach Mobilmachung eine Stärke von etwa 58.800 Soldaten plus 6100 Zivilisten und 9200 Kfz gehabt. Wehrbereichskommandos die über starke WHNS-Verbände verfügte, wie etwa das WBK IV in Mainz, erreichten eine Stärke von über 70.000 Soldaten. Die ebenfalls sehr starken Verbände der Territorialkommandos sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.
    Eine Panzergrenadierdivision kam dagegen nur auf etwa 25.500 Soldaten.

  17. Folgende 4 Benutzer sagen "Danke" zu Nemere für den nützlichen Beitrag:

    alterfritz (02.01.2016), EmilBerggreen (02.01.2016), Hecke (20.03.2016), suedbaden (01.01.2016)

  18. Direkt antworten
  19. #19
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    Mir ging es ähnlich wie Nemere - wo soll man anfangen? Nach den Anmerkungen von Nemere hier nur noch eine Anmerkung, die ich wichtig finde.

    Zitat Zitat von EmilBerggreen Beitrag anzeigen

    Bundesregierung
    Bundesregierung ruft öffentlich den Verteidigungsfall/Landesverteidigung aus. Staatsgebiet ist davon bedroht, mit Waffengewalt angegriffen zu werden. Artikel 115 im Grundgesetz tritt in Kraft. Bundespräsident verkündet V-Fall formell im Bundesgesetzblatt. Übergang der Befehls- und Kommandogewalt über die Bundeswehr vom BMVg auf den Bundeskanzler (absurde Vorstellung: Helmut Kohl mit einer hohen Konzentration von Machtbefugnissen über die BW, wären m. M. n. bei einem Manfred Wörner besser aufgehoben)
    Die einzelnen Maßnahmen, die getroffen werden müssten, sind (mir) wenig bekannt. Je nach Konfliktlage und Ausbruch der Feinseligkeiten, Verhängung von Notstandsgesetzen. Bei unmittelbarer Bedrohung Umzug der Bundesregierung in die unterirdische Dienststelle Marienthal.
    Der Verteidigungsfall wir nicht "von der Bundesregierung ausgerufen" - gemäß Art. 115a GG fällt die Feststellung des V-Falls eindeutig die Zuständigkeit des Parlaments und nicht der Exekutive. Konkret sieht es so aus:

    Der Verteidigungsfall wird auf Antrag der Bundesregierung vom Bundestag festgestellt (mit Zustimmung des Bundesrates); dazu bedarf es einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages (Art. 115a (1)).

    Verkündet wird die Feststellung des V-Falls wird dann vom Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt (Art. 115a (3)).

    Besonders umstritten war bei der Einführung der sog. Notstandgesetze die Regelung in Art. 115a (2), gemäß derer der Gemeinsame Ausschuss den V-Fall feststellen kann, falls "die Lage unabweisbar ein sofortiges Handeln" erfordert und einem rechtzeitigen Zusammentritt des Bundestages "unüberwindliche Hindernisse" entgegenstehen oder er nicht beschlußfähig ist.

    Der Gemeinsame Ausschuss von Bundesrat und Bundestag hat 48 Mitglieder. Er besteht nach Art. 53a des Grundgesetzes zu zwei Dritteln aus Abgeordneten des Bundestages und zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates; er stellt das Notparlament im Verteidigungsfall dar.

    Und noch eine Kleinigkeit: Die mit dem Siebzehnten Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes eingeführten Normen ("Notstandsgesetze"), insbesondere die Artikel 115a bis 115l ("Verteidigungsfall") traten mit dessen Verkündung im Juni 1968 in Kraft - nicht etwa erst in Folge der Feststellung des V-Falls.

  20. Folgende 3 Benutzer sagen "Danke" zu suedbaden für den nützlichen Beitrag:

    alterfritz (02.01.2016), EmilBerggreen (02.01.2016), Nemere (02.01.2016)

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  22. #20
    Cold Warrior Avatar von EmilBerggreen
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    Guten Morgen Ihr beiden!

    Frohes Neues erst einmal!
    Natürlich habt ihr recht! Ich habe nun mal stark abstrahiert und wollte nur ein stark simplifiziertes Modell, ein Ablaufschema aufzeigen, wobei dieses ja auch schon in seinen Grundannahmen falsch bzw. unrealistisch war, so wie ihr mir es aufgezeigt habe.
    Natürlich fällt eine Alarmierung nicht vom Himmel, das wissen wir alle. Nur wollte ich auf diese Dinge wie Gromyko protestiert lautstark, Washington zieht seine Diplomaten aus Moskau ab, Helmut Kohl versucht zu vermitteln, Honecker bricht Dialog mit der Bundesregierung ab, Verbalattacken von Ronald Reagan, etc. einfach verzichten.
    Sorry, die Kanadier (CFE - Canadian Forces Europe) und die Franzosen habe ich sträflicherweise einfach unter den Tisch fallen lassen. Wir hatten damals 1986 eine eingeschränkte Sichtweise auf Bold Guard in Schleswig-Holstein und wussten nichts vom Fränkischen Schild/Franconian Shield in Süddeutschland, welches glaube ich sogar zeitgleich im September 1986 stattfand.
    Das dicht bewaldete mitteldeutsche/süddeutsche Bergland ist ja richtig "Jägerland"-Infanteriegelände, wo es kleine schlagkräftige Einheiten aufgrund der Topopgraphie ja durchaus mit einem zahlenmäßig stärkeren Gegner aufnehmen konnten. Ganz anders als die norddeutsche Knicklandschaft nördlich der Elbe oder die Nordheide. Aber okay....

    Alarmierung der Luftstreitkräfte: Alarmrotten/Abfangjäger waren meines Wissens auch bei niedrigen DEFCON-Stufen innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit und i.d. Luft
    Alarmierung der Luftverteidigung: Tieffliegermelde- und Leitdienste (TMLD) waren ebenfalls rund um die Uhr besetzt, wie es mit dem Abwehrgürtel an Hawk-/Nike-Raketen aussah, weiß ich nicht
    REFORGER-Verlegung: Dauer der Mobilisierung der zu verlegenden Truppen i.d. USA (??), Seeweg der Geleitzüge über den Nordatlantik dauert ca. 2 Wochen/10 Tage. Haben die Kampfhandlungen schon begonnen? Besteht Gefahr durch U-Boote und sowjetische Marineflieger oder können sie ungehindert nach Europa übersetzen?

    Zu der Person Manfred Wörner kann ich nichts sagen. Die Kießling-Affäre ist natürlich bekannt aber ansonsten kann ich zu seiner Persönlichkeit wenig sagen. Anscheinend hatte ich ein vollkommen falsches Bild von unserem ehemaligen Verteidigungsminister.

    Gut, die Feldjäger hatten einen anderen Auftrag, als EA - eigenmächtig Abwesende einzufangen. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es zu einer beispiellosen Massenverweigerung gekommen wäre. Beides: sowohl Kriegsdienstverweigerer als auch so viele EAs, welche das ganze System der personellen Mobilmachung zum Einsturz gebracht hätte. Aber das ist natürlich alles "Spekulatius"....

    Grüße und einen guten Start ins neue Jahr

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