Seite 1 von 4 1234 LetzteLetzte
Ergebnis 1 bis 10 von 37

Thema: Alarmierung und Mobilmachung

  1. #1
    Cold Warrior Avatar von EmilBerggreen
    Registriert seit
    19.07.2015
    Beiträge
    514
    "Danke" sagen
    456
    Erhielt 47 Danke für 34 Beiträge

    Standard Alarmierung und Mobilmachung

    Hallo zusammen,

    hier der versprochene Thread über die Abläufe bei Alarmierung und Mobilmachung.

    Nemere hatte zwar vorgeschlagen, die relevanten Beiträge aus dem Thread „Alarmstuhl“ auszuschneiden, doch da das anscheinend nicht so einfach ist, würde ich vorschlagen, wir fangen noch einmal ganz von vorne an. Einverstanden? Wie gehen wir das Thema am besten an und wie wollen wir das Ganze gliedern? Auf die Darstellung der zivilen Maßnahmen würde ich gerne der Einfachheit halber verzichten und mich im Wesentlichen auf die Prozesse/Abläufe angefangen in den NATO-Kommandostäben, dann auf Korps-, Divisions-, Brigade- und Bataillonsebene und schließlich einer PzGrenKp der Bundeswehr konzentrieren.
    ---------------------------------------------------------
    Zeit: Mitte der 1980er Jahre, Heeresstruktur IV
    Gebiet: Norddeutschland: Schleswig-Holstein, Norddeutsche Tiefebene mit Lüneburger Heide bis Anfang Mittelgebirge Harz, etc.
    Annahme: konventioneller Krieg
    vorausgehender Spannungsfall – Eskalationsphase – Verteidigungsfall (V-Fall) und Eintritt in den Kriegszustand
    Mobilmachung in mehreren Stufen: Teilmobilmachung – Generalmobilmachung
    Ablösung des BGS durch BW im grenznahen Sektor

    Abläufe NATO-Kommandostäbe
    SACEUR löst für Europa NATO-Alarm aus
    Freigabe des GDP (General Defense Plan), ggf. EDP (Emergency Defense Plan) je nach Vorwarnzeit und Lage an

    • CINCNORTH (Oberbefehlshaber Allied Forces Northern Europe)
    • CINCENT (Oberbefehlshaber Allied Forces Central Europe)
    • CINCSOUTH (Oberbefehlshaber Allied Forces South Europe
    • Alarmierung der Luftstreitkräfte: Alarmbereitschaft an alle Abfangjägerrotten, scharfer Einsatzbefehl, bei Verletzung des Luftraumes nicht mehr durch Abdrängen feindlicher Jagdflugzeuge zu reagieren, sondern gezielten Feuerkampf aufzunehmen
    • Alarmierung der Luftverteidigung: Tieffliegermelde- und Leitdienste (TMLD), Aktivierung der Flugabwehrbatterien, seinerzeit HAWK und Nike


    Weitere Maßnahmen:

    • Befehl zur REFORGER-Verlegung (Return of Forces to Germany): Verlegung von kanadischen und US-Streitkräften mittels Geleitzügen über den Nordatlantik. Anlandung in Häfen der BRD (z.B. Wilhelmshafen), Übernahme von Ausrüstung und Gerät aus POMCUS-Depots (Prepositioning Of Materiel Configured in Unit Sets), Verlegung in den GDP-Raum, angenommene Zeit für die Durchführung: 2-3 Wochen (??)
    • Verlegung des UKMF (UK Mobile Force): Verstärkung z.B. für LANDJUT


    Abläufe Korps – PzGrenDiv – PzGrenBrig – PzGrenBtl
    Korpsbefehl an Division/en, dass GDP XXX in Kraft tritt
    Divisionsbefehl an Brigaden, Verteidigungsstreifen einzunehmen
    Brigadebefehl an Bataillone je nach Unterstellung/Abstellung von Pz- und PzGrenBtl Verteidigung entlang des VRV aufzubauen
    Hier fehlt mir die Kenntnis, wie die Befehlsketten für den V-Fall vom Korps bis runter zu den Btls aussahen.

    LANDJUT: 6. Panzergrenadierdivision richtet sich am ELK als VRV zur Verteidigung ein. Östlich des ELK ein Verzögerungsverband (ob das tatsächlich so stimmt, kann ich nicht sagen, da mir dazu die Quellen fehlen, nehmen wir mal an, es sollte das PzAufklBtl 6 – quasi als verstärktes PzBtl und Tle PzGrenBtl 163 sein, aber welche Aufgaben sie dann tatsächlich im Gebiet der Lauenburger Seenplatte hatten, entzieht sich meiner Kenntnis. Möglicherweise gab es den Plan, durchgebrochene Panzerregimenter zwischen den Seen an einem weiteren Vordringen für eine bestimmte Zeit aufzuhalten), HSchBrig 51 verbleibt im Raum Lütjenburg – Lensahn in Ostholstein zur Abwehr gegen seegelandeten Feind. Jütland-Division (DK) verlegt nach Mittelholstein an den NOK zur Abwehr gegen luftgelandeten Feind.
    6. Panzergrenadierdivision:

    • PzGrenBrig 16 ELK – Südabschnitt Berkenthin - Lauenburg
    • PzGrenBrig 17 ELK – Nordabschnitt Lübeck – Berkenthin
    • PzBrig 18 – als Divisionsreserve für Gegenangriff bereithalten

    Mögliche Angriffsachsen/Durchbruchsstellen des WAPA: südlich von Lübeck bei Groß Grönau und an der B-24 Hamburg – Berlin zwischen Güster und Grambek. Einbrüche zwischen Boizenburg u. Lauenburg ebenfalls denkbar.
    Okay, vielleicht auch Quatsch, da ich mich über die Operationsplanung nicht weiter auslassen kann, da der GDP der 6. Panzergrenadierdivision der Öffentlichkeit noch nicht zugänglich gemacht wurde.

    NORTHAG: Korpsabschnitt Elbe – etwa Hann. Münden. Multinationale „Schichtkuchenverteidigung“ durch 1. NL-Korps, I. DE-Korps, 1. BR-Korps (UK) und 1. BE-Korps. Natürliches Hindernis des ESK als Aufmarschlinie (auch VRV?) der Verteidiger.
    I. DE-Korps: zwei Divisionen am VRV: 3. Panzerdivision Buxtehude im Nordabschnitt und 1. Panzerdivision Hannover-Bothfeld im Süden. 11. Panzergrenadierdivision als Ablösung/Korpsreserve. 3. Panzerdivision deckt den Aufmarsch der beiden niederländischen Divisionen 4. (4e Divisie) und 1. Div (1e Divisie), die zunächst aus Holland in den GDP-Raum verlegt werden müssen. Verschiebungen im Sektor I. DE-Korps: 11. PzGrenDiv verteidigt den Nordabschnitt und die 1. PzDiv den Südabschnitt. Nach Eintreffen der holländischen Streitkräfte im GDP, hätte die 3. PzDiv die Korpsreserve gebildet.
    Quelle: http://www.relikte.com/nds_heer/index.htm

    Abläufe PzGrenBtl – PzGrenKp (wie bereits von Südbaden sehr detailliert geschildert)
    NATO-Alarm: S3 Btl alarmiert UvD. Der wiederum ZgFhr vD. Alarmierung gemäß Alarmkalender: KpChef, KpTrpFhr u. KpFw. ZgFhr vD alarmiert Kp: Kampfausrüstung anlegen, Waffenempfang, Empfang spezieller Ausrüstungsgegenstände für den Ernstfall, wie z.B. Atropin-Selbstinjektor, „gefechtsmäßiges“ Antreten. Gefechtsfahrzeuge werden marschfertig gemacht (mich würde interessieren, was das im Einzelnen für den SPz Marder bedeutete: Ölstand, Tankfüllung prüfen? Vielleicht könnte einer der ehemaligen MKF etwas dazu sagen? Das gleiche gilt für den RS: - Waffenträgergehäuse aufklappen, Kurzcheck und Kdt – Optiken, Fernsprechanlage überprüfen? Vermutlich hatten MKF u. RS allein dafür Sorge zu tragen. Keine Ahnung. Ich frage deswegen so platt, weil ich im Schützentrupp war und mich mit TD absolut nicht auskenne). SPz werden aus dem Hangar herausgefahren, verbleiben aber bis zum Aufsitzen der Schützentrupps noch im T-Bereich.
    Ansprache des KpChef zur allgemeinen Lage, dem Auftrag des Bataillons und der Kompanie
    "Aufgrund von politischen Spannungen...in den frühen Morgenstunden hat der Warschauer Pakt mit...PzGrenBrig XY hat den Befehl erhalten..."
    „Teileinheitsführer übernehmen!“
    Die Aufgaben der ZgFhr und der drei Züge zumindest im Felde sind relativ klar, handeln relativ autark (bei Truppen wie den PzAufkl noch sehr viel stärker als bei Pz/PzGren) – oft werden PzGrenZüge aus der Kompanie herausgelöst und z.B. einer PzKp unterstellt und dergleichen aber welche Aufgaben hatten KpChef, KpFü und KpTrp während eines NATO-Alarms?
    Befehl zum Ausrücken u. Marsch i.d. Verfügungsbereich, von dort aus nach bestimmter Marschordnung in den GDP-Raum zum Einrichten i. d. Verteidigungsstellungen.

    Was dort in den GDP-Räumen unter dem Aspekt eines tatsächlichen Kriegseinsatzes passieren sollte, ist natürlich hochinteressant, geht aber über das Thema Alarmierung und Mobilmachung weit hinaus, off topic. Was mich persönlich sehr interessiert, ist das Anlegen von Feldstellungen/-befestigungen durch die Erdarbeitsgeräte der Pioniere. In welchem Umfang wäre das für die einzelnen Kompanien überhaupt möglich und sinnvoll in einem modernen Bewegungskrieg aber gut, das ist wieder ein Thema für sich.

    PS: Hoffentlich habe ich nicht wieder viel zu viel Blödsinn geschrieben, zumindest wollte ich die Abläufe einmal nachvollziehbar darstellen.

    Gruss,

  2. Folgende 2 Benutzer sagen "Danke" zu EmilBerggreen für den nützlichen Beitrag:

    Malefiz (20.08.2018), suedbaden (13.01.2016)

  3. Direkt antworten
  4. #2
    Cold Warrior
    Themenstarter
    Avatar von EmilBerggreen
    Registriert seit
    19.07.2015
    Beiträge
    514
    "Danke" sagen
    456
    Erhielt 47 Danke für 34 Beiträge

    Standard

    Kleine Korrektur: bevor die Panzer aus der Kaserne fahren, wird natürlich kein TD gemacht. Das gehörte zu den Routineaufgaben von MKF und RS unabhängig von einem NATO-Alarm.
    Aber was bedeutet "Panzer marschfertig" machen denn im Einzelnen? Tank voll, Ölstand kontrolliert...dazu gab es doch bestimmt eine Abhakliste.
    Außerdem das Aufmunitionieren von BMK und koaxialem Bord-MG. Die Schützentrupps erhalten Waffen und Munition doch bereits in der Waffenkammer, also wurde der SPz auch in der Kaserne aufmunitioniert - Doppelgurtzuführer noch einmal kontrolliert, damit er dann im Gefecht auch funktioniert - und nicht erst im Verfügungsraum. Ich habe das nach 30 Jahren vergessen wie es war. Wann und wo bekommt eine PzGrenKp ihre erste Kampfbeladung und wann und wo hatte sie die Möglichkeit, diese über einen Versorgungspunkt des Nachschubs wieder aufzufüllen? Wie wurde kalkuliert? Munitionsverbrauch nach dem ersten Gefechtstag, nach dem ersten Sturmabwehrschießen, etc.? Munitionszuführung durch den VersorgungsdienstFw, der mit seinem Tonner zu einem Versorgungspunkt fährt und dort Munition aufnimmt?

  5. Direkt antworten
  6. #3
    Cold Warrior
    Themenstarter
    Avatar von EmilBerggreen
    Registriert seit
    19.07.2015
    Beiträge
    514
    "Danke" sagen
    456
    Erhielt 47 Danke für 34 Beiträge

    Standard

    Was außerdem noch fehlt, ist die Ausgabe der Sprechtafeln mit den Codewörtern/Decknamen sowie die Abstimmung der Funkfrequenzen für den scharfen Gefechtseinsatz. Ausgabe durch das Btl?

  7. Direkt antworten
  8. #4
    Warrior
    Registriert seit
    09.11.2009
    Beiträge
    83
    "Danke" sagen
    172
    Erhielt 201 Danke für 41 Beiträge

    Standard

    Das Thema Alarmierung und Mobilmachung sollte etwas strukturierter angegangen werden. Anschließend kann die Darstellung der Operationsplanung folgen.

    Ich beginne mit dem Alarmwesen.

    Quellen:
    Notizen, die ich 1983 während des Lehrgangs für Alarm- und Mobilmachungsbearbeiteroffiziere an der Schule für Feldjäger und Stabsdienst angefertigt habe.
    Meine Erinnerung an drei Jahre Tätigkeit als S 3-Offizier für Alarm- u. Mobilmachungswesen einer norddeutschen Division.


    Das NATO-einheitliche Alarmsystem war ein wichtiges Instrument zur politischen Krisenbewältigung. In einer Krise konnte durch Auslösen oder Aufheben von Alarmmaßnahmen die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr geordnet und stufenweise erhöht oder, sobald es die Lage erlaubte, wieder herabgesetzt werden.

    Mit Hilfe des Counter Surprise System
    mit seinen Alarmstufen
    - STATE ORANGE – bei unmittelbar drohendem Überraschungsangriff – und
    - STATE SCARLET – bei bereits erfolgtem oder in weniger als einer Stunde erwarteten Angriffkonnte NATO-Oberbefehlshaber für Europa (SACEUR) bei einem überraschenden Schlag mit weit reichenden Kernwaffen die Notfallmaßnahmen auslösen, die unbedingt notwendig sind, um die volle Einsatzbereitschaft sofort herstellen und halten zu können.

    Das ab den siebziger Jahren der Strategie der NATO zugrunde liegende Szenario ging von einer sich über einen längeren Zeitraum zuspitzenden Krise aus, die zum Krieg eskalieren konnte. Es wurde eine Vorwarn- und Reaktionszeit von 48 Stunden angenommen.

    Für diesen Fall waren im Formalen Alarmsystem der NATO alle in Frage kommenden Alarmmaßnahmen in Stufen zusammengefasst, die SACEUR auslösen konnte, notfalls auch vor Zustimmung des NATO-Rates oder der nationalen Regierungen, aber nach ihrer vorherigen Unterrichtung. Diese formal weitgehende Befugnis war aber erst dann wirkungsvoll, wenn die Bündnispartner zuvor die in ihren nationalen Verfassungen vorgesehenen Maßnahmen in Kraft gesetzt hatten (Notstandsgesetze).


    Das Formale Alarmsystem der NATO

    Eine Vorstufe war MILITARY VIGILANCE mit Maßnahmen, die in einem frühen Stadium einer Krise durchzuführen waren. Sie dienten in erster Linie der Überprüfung und Vorbereitung weiterer Maßnahmen sowie der Erhöhung der Einsatzbereitschaft der Truppe in den Standorten. Der Bundesminister der Verteidigung war befugt, selbständig und noch vor Beginn der Mobilmachung die Verfügungsbereit-schaft zum Dienst heranzuziehen.
    (Die Verfügungsbereitschaft war 1975 eingeführt worden, um die Einsatzbereitschaft einer Einheit auch während der Grundausbildung zu gewährleisten. Alle Grundwehrdienstleistenden und Soldaten auf Zeit wurden mit Ende ihrer aktiven Dienstzeit in die Verfügungsbereitschaft versetzt, die anfangs 12 Monate dauerte. Der Bundesminister der Verteidigung konnte nach entsprechendem Kabinettsbeschluss ohne Mobilmachung die Verfügungsbereit¬schaft aktivieren und die Rekruten in der Grundausbildung durch ausgebildete Soldaten ersetzen.)

    Die eigentlichen Alarmstufen des Formalen Alarmsystems der NATO waren SIMPLE ALERT, REINFORCED ALERT und GENERAL ALERT.

    Jede dieser Alarmstufen beinhaltete Alarmmaßnahmen, die einzeln oder in Gruppen ausgelöst werden konnten. Die wichtigsten Alarmmaßnahmen setzten voraus, dass der Bundestag zuvor den Spannungsfalls festgestellt hatte. Denn erst dann konnten alle Möglichkeiten des Wehrpflichtgesetzes, des Bundesleistungsgesetzes und der Sicherstellungsgesetze genutzt werden.

    Für die Bundeswehr bedeuteten die Alarmstufen in vereinfachender Zusammenfassung

    SIMPLE ALERT:
    - Durchführen der Mobilmachung,
    - Herstellen der Einsatzbereitschaft der Truppe in den Standorten, Aufmunitionieren
    - Verlegen besonders ungünstig stationierter Truppenteile in die Nähe des Einsatzraumes

    REINFORCED ALERT:
    - Aufmarsch der Truppe in die Einsatzräume und Seegebiete
    - Herstellen der Verteidigungsbereitschaft/Einsatzbereitschaft in den Einsatzräumen/auf See.

    GENERAL ALERT:
    - Feindseligkeiten haben bereits begonnen oder der Ausbruch steht unmittelbar bevor.

    Alle Alarmmaßnahmen des Counter Surprise System und des Formalen Alarmsystems der NATO waren im Alarmplan der Bundeswehr zusammengefasst, der auf dem NATO-Alarmplan aufbaute und mit dem Zivilen Alarmplan korrespondierte. Er wurde von den Führungsstäben der Teilstreitkräfte und Kommandobehörden bis zur Division einschließlich in Teilausgaben für ihren Kommandobereich umgesetzt. Die Teilausgaben wurde bis zur Ebene Bataillon und selbständige Einheit verteilt.

    Die aktiven Verbände und selbständigen Einheiten waren die Kalenderführenden Dienststellen. Diese mussten die für sie zutreffenden Alarmmaßnahmen des Alarmplans umsetzen in Einzelbefehle an ihre Einheits- und Teileinheitsführer, Spezialisten und Funktionsträger. Diese Einzelbefehle, mit Anlagen (Karten, Skizzen, Plänen,Übersichten, Einberufungs- und Leistungsbescheiden) bildeten den Alarmkalender.
    Die Kalenderführenden Dienststellen hatten oft auch für andere Truppenteile/Dienststellen (nichtaktive Truppenteile oder Kleindienststellen ohne geeignetes Friedenspersonal) einen Alarmkalender zu führen.

    Bei einer Alarmierung wurden die Alarmmaßnahmen vom Alarmzentrum der Bundeswehr (im BMVg) zentral ausgelöst. Die Übermittlung erfolgte fernschriftlich und fernmündlich.
    Alle Kalenderführenden Dienststellen bekamen das gleiche formatierte Fernschreiben, in dem der Geltungsbereich, das Datum der Wirksamkeit und die ausgelöste Alarmmaßnahme sowie gegebenenfalls Zusätze aufgeführt waren. Das Fernschreiben war offen, dafür der Inhalt der Zeilen verschlüsselt. Jede Kalenderführende Stelle hatte eine geheime Liste, mit deren Hilfe diese Angaben entschlüsselt werden konnten. Das System wurde im Laufe der Jahre so verfeinert und perfektioniert, dass zwar jeder halbwegs Gescheite mit ihm zurecht kam. Aber zuletzt konnte nur noch der „Experte“ erkennen, ob es sich um eine „scharfe“ Alarmierung oder „nur“ um eine Übung handelte.

    Der zweite Weg der Alarmierung ging telefonisch über alle Stufen der Hierarchie nach unten bis zum Diensthabenden in der Kalenderführenden Dienststelle.

    Um die Reaktionsfähigkeit der Streitkräfte auch außerhalb der Dienststunden sicherzustellen, gab es die Ständigen Dienste. In Rufbereitschaft war der Offizier der Führungsbereitschaft (OffzFü). Er wurde von jedem Truppenteil vom Bataillon aufwärts eingeteilt, in der Regel für eine Woche, und sollte bis zum Eintreffen des Kommandeurs erste Führungsentscheidungen treffen.
    In der Kaserne ständig anwesend sein musste der Offizier vom Dienst (OvD), der in Kommandobehörden von der Brigade aufwärts für 24 Stunden eingeteilt wurde. Er nahm die Alarmfernschreiben und Alarmsprüche in Empfang und informierte den OffzFü.
    Unterhalb der Brigade nahm die Alarmfernschreiben und Alarmsprüche der Offizier vom Wachdienst (OvWa) der Kaserne für alle in der Kaserne untergebrachten Kalenderführenden Dienststellen entgegen. OffzFü und OvD bzw. OvWa gemeinsam konnten den Panzerschrank öffnen und den Alarmkalender entnehmen.

    In den monatlichen Alarmierungsübungen BUNTER FADEN wurde die Weitergabe der Alarmfernschreiben und Alarmsprüche bis zum OffzFü geübt. Die Kalenderführenden Dienststellen hatten danach die Laufzeiten zu melden. Diese Alarmfernschreiben und Alarmsprüche trugen schon als Überschrift den Namen BUNTER FADEN, damit kein Übereifriger den Panzerschrank und die versiegelte Entschlüsselungstabelle öffnete. Diese war nach dem Öffnen nur noch zum Üben zu gebrauchen und musste in der ganzen Bundeswehr ersetzt werden. Das war teuer und die Bearbeitung des Schadens bedeutete zudem Papierkrieg.

    Mindestens zweimal im Jahr wurde die Alarmübung ACTIVE EDGE durchgeführt.

    Der Übungs-Alarmplan ACTIVE EDGE beinhaltete zwei Stufen:
    - PREPARE mit Maßnahmen der Stufe MILITARY VIGILANCE,
    - EXECUTE mit Alarmmaßnahmen der Alarmstufen STATE ORANGE und STATE SCARLET.

    EXECUTE forderte das Verlassen der Kaserne und Beziehen eines Auflockerungsraumes, wurde aber aus Kostengründen nicht bei jedem ACTIVE EDGE ausgelöst.
    Einmal im Jahr wurde in einem Standort das Räumen der Standortmunitionsniederlage und bei einem Bataillon/Luftwaffengeschwader/Schiff das Aufmunitionieren geübt. Das wurde teuer, weil Munitionspaletten gebrochen und nach der Übung die Munition von Feuerwerkern geprüft werden musste.

    Von der Teilnahme an ACTIVE EDGE waren bestimmte Ausbildungseinheiten sowie Truppenteile kurz vor und während einer Materialprüfung oder wenige Tage vor und während eines Truppenübungsplatzaufenthaltes befreit. Wegen der Ausnahmen nahm manchmal weniger als die Hälfte der Division an ACTIVE EDGE teil.

    In weiteren Beiträgen folgen Mobilmachungswesen und Operationsplanung.

  9. Folgende 17 Benutzer sagen "Danke" zu alterfritz für den nützlichen Beitrag:

    Alex (02.06.2017), aoenf (14.01.2016), bombastic (13.01.2016), DeltaEcho80 (14.01.2016), EmilBerggreen (14.01.2016), Hellfish75 (15.01.2016), kato (20.08.2018), Keilerdackel (10.02.2016), Leif (14.01.2016), Maeks (14.01.2016), messu (14.01.2016), nairolf (14.01.2016), Nemere (14.01.2016), Rainer (19.08.2018), spanier (19.02.2016), suedbaden (13.01.2016), uraken (15.06.2020)

  10. Direkt antworten
  11. #5
    Warrior
    Registriert seit
    09.11.2009
    Beiträge
    83
    "Danke" sagen
    172
    Erhielt 201 Danke für 41 Beiträge

    Standard

    Die Fernmeldeunterlagen (Frequenzzuteilung, Sprechtafel, ggf. Schlüsselunterlagen) gehörten als Anlagen zum GDP. Ihre Verteilung durch das Bataillon/selbständige Kompanie sollte mit Auslösen der entsprechenden Alarmmaßnahme vor Verlassen der Kaserne verteilt werden.

    Auch die Ausgabe der Munition bzw. das Aufmunitionieren der Gefechtsfahrzeuge sowie das Verladen der Truppenbeladung Munition und Betriebsstoff war an die Auslösung einer bestimmten Alarmmaßnahme gebunden.

    Wir haben die verschiedenen Möglichkeiten in meinem Panzerartilleriebataillon Ende der 80er Jahre in einer Planungübung durchgespielt.
    Beim Aufmunitionieren gab es je nach Reihenfolge der ausgelösten Alarmmaßnahmen 2 Varianten:
    - zuerst den Auflockerungsraum beziehen und dann von dort aus die Munition aus der Standortmunitionsniederlage holen (ca. 4.000 Schuss Artilleriemunition=ca. 2.000 t)
    - zuerst mit der Auslagerung der Munition auf dem Standortübungsplatz beginnen, dort Aufmunionieren und anschließend den Auflockerungsraum beziehen.
    Die erste Variante war die einfachere.

    Bei einer Alarmübung ACTIVE EDGE wurde es ernst:
    Beziehen des Übungs-Auflockerungsraumes und Aufmunitionieren wurden am frühen Morgen fast gleichzeitig ausgelöst.

    Der Transportzug der 1. Batterie (22 Lkw 10 t mit Ladekran, aber nur etwa die Hälfte des Personals war aktiv!)
    - verlegte in die Standortmunitionsniederlage
    - holte die Munitionspaletten aus den Munitionslagerhäusern
    - verlud sie auf die Lkw
    - transportierte die Kampfbeladung für die Geschütze zum ca. 2 km entfernten Übungs-Auflockerungsraum=Standortübungsplatz.

    Unsere 16 Panzerhaubitzen M 109 G waren dort so untergezogen, dass die Paletten unmittelbar dahinter abgeladen werden konnten.

    Dann begann für die Geschützbedienungen die Knochenarbeit:
    - Brechen der Paletten,
    - Tragen der 34 Geschosse u. Treibladungen (zusammen je 50 kg) je Panzerhaubitze zu diesen und
    - Einbringen der Geschosse in das Geschossmagazin, das sich in Kopfhöhe befindet.

    Gegen Mittag war es geschafft. Dickes Lob vom Brigadekommandeur an alle und - Übungsende.

    Aber die Arbeit ging weiter, praktisch alles rückwärts. Gegen Mitternacht meldete mir der S 4, dass die Munition wieder vollzählig in der Standortmunitionsniederlage war.
    Der Transportzug und die Munitionskanoniere aber waren noch 2 Wochen lang in der Standortmunitionsniederlage damit beschäftigt, die Kampfbeladung wieder zu palettieren.

  12. Folgende 19 Benutzer sagen "Danke" zu alterfritz für den nützlichen Beitrag:

    Alex (02.06.2017), aoenf (14.01.2016), DeltaEcho80 (14.01.2016), EmilBerggreen (14.01.2016), kato (20.08.2018), Keilerdackel (10.02.2016), Leif (14.01.2016), Maeks (14.01.2016), Malefiz (20.08.2018), messu (14.01.2016), nairolf (14.01.2016), Nemere (14.01.2016), Rainer (19.08.2018), rubeck1 (15.01.2016), spanier (19.02.2016), suedbaden (13.01.2016), trince (17.01.2016), uraken (15.06.2020), wernerg (15.06.2020)

  13. Direkt antworten
  14. #6
    Cold Warrior
    Registriert seit
    06.01.2008
    Beiträge
    296
    "Danke" sagen
    186
    Erhielt 24 Danke für 18 Beiträge

    Standard

    Alter Fritz, das war einer der besten Beiträge, den ich in diesem Forum bislang gelesen habe. Vielen Dank für die Mühe!

  15. Direkt antworten
  16. #7
    Cold Warrior
    Themenstarter
    Avatar von EmilBerggreen
    Registriert seit
    19.07.2015
    Beiträge
    514
    "Danke" sagen
    456
    Erhielt 47 Danke für 34 Beiträge

    Standard

    Guten Morgen,

    da kann ich mich absolut nur anschließen. Damit hat alterfritz mit ganz viel Unklarheiten aufgeräumt.
    Ganz herzlichen Dank dafür!!

    Hier noch ein Nachtrag aus http://home.arcor.de/fips39/10_alarmposten.htm

    Bereitschaftsgrade
    1. Bereitschaftsgrade

    • Marschbereitschaft
    • Gefechtsbereitschaft
    • Klar zum Gefecht


    2. Kommando: "Marschbereitschaft herstellen!":

    • technische Durchsicht am Kfz/GefFzg abschließen
    • Vollzähligkeit der Ausrüstung
    • Kfz/GefFzg beladen und ausreichend betanken
    • Bekanntgabe Marschbefehl
    • Kfz/GefFzg mit Flaggen, ggf. mit Marschkreditnummer zu kennzeichnen
    • in die Lafette des Fahrzeuges BMK und MG einsetzen
    • das Kfz/GefFzg zu enttarnen oder Marschtarnung (was bedeutet das? Nachtmarsch, ohne Licht, Kennzeichen u. Winkelspiegel abtarnen?) anzubringen
    • Schützentrupp aufsitzen oder abrufbereiter Aufenthalt in der Nähe des Kfz/GefFzg

    3. Kommando "Gefechtsbereitschaft herstellen!":

    • Waffen, Gerät und Munition überprüfen
    • Handwaffen (einschließlich Ersatzrohre) entölen und teilladen
    • Funkgeräte überprüfen, befohlene Frequenz zu rasten bzw. der befohlene Kanal einstellen
    • Panzerabwehrhandwaffen (PzFst, MILAN) gefechtsbereit machen
    • Stahlhelm auf
    • Windschutzscheiben der Kfz abzuklappen und zu tarnen, Führerhausverdeck und Verdecke von LKW 0,5 t herunterzuklappen und Ladefläche der zum Mannschaftstransport eingesetzten Fahrzeuge abzuplanen, soweit zuständiger Führer nichts anderes befiehlt

      4. "Klar zum Gefecht !"


    • Handwaffen fertigladen und sichern (Handwaffen in Halterungen, z.B. die von Kraftfahrern, Funkern, Panzerbesatzung bleibt teilgeladen)
    • Panzerabwehrhandwaffen "gefechtsbereit", solange Feuerkampf damit nicht unmittelbar bevorsteht
    • Bei "Klar zum Gefecht" hat sich der Soldat so zu verhalten, dass er unverzüglich den Kampf, auch gegen überraschend auftretenden Feind aufnehmen kann.

    Und hier aus dem Reibert des Jahres 1986: S. 178 ZDv 3/11, ZDv 42/10 u. ZDv 49/20
    Marsch mit Kraftfahrzeugen
    Bei einem überraschenden Luftangriff wird der Marsch gewöhnlich nicht unterbrochen. Wenn das Flugziel einwandfrei als feindlich erkannt ist und eine Bekämpfung nach Flughöhe und Zielentfernung in Frage kommt, ist mit dem Maschinengewehr das Feuer zu eröffnen, während mit dem Gewehr während des Fahrens nicht auf Flugziele geschossen wird.

    Das Flugabwehrregiment 6 befand sich in Lütjenburg und deren Gepard- und Roland-Panzer hätten den ausrückenden Pz- und PzGrenBtls meines Wissens erst im GDP-Raum zur Verfügung gestanden. Das bedeutet das Ausrücken aus der Kaserne in den GDP-Raum wäre ohne Deckung durch Flak-Pz erfolgt? Egal, ich will jetzt auch nicht vom Thema abweichen.

    Gruss,

  17. Direkt antworten
  18. #8
    Cold Warrior
    Themenstarter
    Avatar von EmilBerggreen
    Registriert seit
    19.07.2015
    Beiträge
    514
    "Danke" sagen
    456
    Erhielt 47 Danke für 34 Beiträge

    Standard

    Und hier noch ein paar Abkürzungen/Erläuterungen:

    AuM: Alarmwesen und Mobilmachung
    AZBw: Alarmzentrum der Bundeswehr, heute i. Einsatzführungszentrum der Bw integriert, schichtgeführte Operationszentrale
    KalFüDSt (Kalenderführende Dienststelle) Der Truppenteil, bei dem der Reservist mob-beordert ist
    Auflockerungsraum: Staging/Dispersal Area, gleichbedeutend mit Verfügungsraum (?) für „auseinandergezogene“ Einheiten (?), Wechselkonzentrierungsraum, hier fehlt mir eine gute Definition
    aus WP

    Verfügungsraum ist ein militärischer, taktischer und operativer Begriff, der zu den Begriffen zur Ordnung des Raumes zählt. Verfügungsräume werden vor allem in der vorderen Kampfzone, darüber hinaus aber auch im gesamten Operationsgebiet von Landstreitkräften eingerichtet, um Truppen für weitere oder Folgeaufträge zur Verfügung der Führung zu halten.

    • Truppen, die für einen Angriff bereitgestellt oder dazu herangeführt werden, treffen ihre Vorbereitungen in Verfügungsräumen. Diese sollen außerhalb der Reichweite der Masse der feindlichen Artillerie und so liegen, dass der Anmarsch aus ihnen reibungslos und schnell vor sich gehen kann. Die Truppe soll nur so lange in den Verfügungsräumen bleiben, wie sie für ihre Vorbereitungen braucht.
    • Bei Gewässerübergängen sind Verfügungsräume beiderseits des Gewässers einzurichten, um Massierungen und Stauungen zu vermeiden. In den Verfügungsräumen sind die Vor- oder Nachbereitungstätigkeiten des Gewässerübergangs zu erledigen.
    • Für Märsche sind entlang der Marschstraße Verfügungsräume festzulegen, um Truppen bei unvorhergesehenen Änderungen dort unterziehen zu lassen und zur Verfügung zu halten.
    • Truppen beziehen gewöhnlich Verfügungsräume bevor sie einen Abschnitt zur Verteidigung übernehmen. Im Verfügungsraum wird die Versorgung abgeschlossen und die technische Einsatzbereitschaft erhöht oder wiederhergestellt, während die Führer der Truppe die Stellungen erkunden.

    Beim Erkunden und Beziehen von Verfügungsräumen ist darauf zu achten, dass die Truppen bis hin zu den Einzelfahrzeugen so einfließen und unterziehen, dass sie bereits in der richtigen Reihenfolge für den Anschlussauftrag stehen und in der neuen Gefechtsgliederung wieder abfließen oder herausgezogen werden können. Verfügungsräume sind stets durch die Truppe nach allen Seiten zu sichern, dazu befiehlt der örtliche Führer die Sicherungsstreifen oder -sektoren für die einzelnen Truppenteile. Besonderes Augenmerk ist auf die Tarnung zu richten, damit die Truppe nicht schon im Verfügungsraum aufgeklärt wird, woraus der Feind wichtige Rückschlüsse auf die geplante Operationsführung ziehen könnte. Deshalb wird in Verfügungsräumen meistens für Funkgeräte und Radar Sendeverbot befohlen. Für gewöhnlich werden Waldgebiete als Verfügungsräume befohlen, die dazu über genügend Straßen- und Wegeanbindungen verfügen müssen, um ein reibungsloses Einfließen und Abfließen der Truppen zu ermöglichen. Nur selten sind Verfügungsräume nicht in Wäldern oder ähnlichen Gebieten angesiedelt. Dann hat der Einheits- oder Teileinheitsführer einen sichtgeschützten Bereich, zum Beispiel hinter Kuppen, zu wählen. Der Verfügungsraum für ein Bataillon hat eine Ausdehnung von etwa 8–20 Quadratkilometern. Die Ausdehnung von Verfügungsräumen ist räumlich nicht begrenzt, doch sollte bei einem Panzerzug immer darauf geachtet werden, dass die Ausdehnung so erfolgt, dass feindliches Steilfeuer nicht den ganzen Raum auf einmal belegen kann.
    Alterfritz, korrigiere mich bitte, wenn ich da falsch liege.

  19. Direkt antworten
  20. #9
    Warrior
    Registriert seit
    09.11.2009
    Beiträge
    83
    "Danke" sagen
    172
    Erhielt 201 Danke für 41 Beiträge

    Standard Auflockerungsraum und Verfügungsraum

    Der Auflockerungsraum ist ein Verfügungsraum, bei dem die Auflockerung im Vordergrund steht: die Truppe feindlicher Aufklärung und Waffenwirkung entziehen. Nach meiner Erinnerung wurde der Begriff Auflockerungsraum nur im Zusammenhang mit der Alarmierung verwendet. Jedenfalls taucht er nicht in der "Taktik-Bibel" HDv 100/100, Führung im Gefecht, auf.
    Staging Area = Verfügungsraum.

    Der in der NVA verwendete Begriff Wechselkonzentrierungsraum entspricht dem Verfügungsraum der Bundeswehr.

  21. Direkt antworten
  22. #10
    Warrior
    Registriert seit
    09.11.2009
    Beiträge
    83
    "Danke" sagen
    172
    Erhielt 201 Danke für 41 Beiträge

    Standard Mobilmachung

    Die Mobilmachung hatte den Zweck, die Bundeswehr in den für den Verteidigungsfall notwendigen Zustand zu versetzen und zu halten. Sie umfasste hauptsächlich
    - das Heranziehen der personellen und materiellen Mobilmachungsergänzung (Mob-Ergänzung),
    - das Einnehmen der Verteidigungsgliederung,
    - das Decken des weiteren materiellen Bedarfs,
    - Maßnahmen zur Herstellung oder zur Erhaltung der Durchhaltefähigkeit.

    Die Mobilmachung musste durch Kabinettsbeschluss angeordnet werden. Sie konnte in einem Zuge oder abgestuft erfolgen.
    Die Begriffe Teilmobilmachung und Generalmobilmachung wurden in der Bundeswehr nicht verwendet.

    Der Mobilmachungsplan der Bundeswehr enthielt alle Bestimmungen für die Mobilmachung und galt für die gesamte Bundeswehr. Außerdem erließ das Ministerium jährlich Mobilmachungsanweisungen für die personellen, materiellen und organisatorischen Mobilmachungsvorbereitungen.

    Der Bedarf an Mobilmachung war bei den Truppenteilen sehr unterschiedlich. In den Brigaden verfügten die meisten Kampftruppenbataillone schon im Frieden über nahezu das gesamte Material und Personal, wenn man von den Besonderheiten während der Grundausbildung absieht, und bedurften daher nur einer geringen personellen und materiellen Mob-Ergänzung. Aber schon bei den gemischten Kampftruppenbataillonen, den 1er-Bataillonen, war das anders. Die Stabs- und Versorgungskompanie war nichtaktiv und nur wenige Versorgungsteileinheiten waren den Kampfkompanien zu ihren Friedens-Bataillonen mitgegeben. In den Panzerartilleriebataillonen waren die Dienstposten der meisten Beobachtungsoffiziere und –feldwebel, 3 von 18 Geschützgruppen und die Hälfte der Soldaten des Transportzuges V-kodiert, also erst bei Mobilmachung zu besetzen. Das Bataillon benötigte also rund 100 Mann, um seine Kriegsstärke von gut 500 Mann zu erreichen.

    Bei den Divisionstruppen war die Abhängigkeit von Mob-Ergänzung sehr unterschiedlich. Fernmeldebataillon und Panzeraufklärungsbataillon waren schon im Frieden voll präsent. Dagegen benötigte das Sanitätsbataillon rund 300 Mann und das Nachschubbataillon sogar rund 800 Mann an Mob-Ergänzung.
    Bei den nichtaktiven Bataillonen ( 2 Jägerbataillone, 1 Sicherungsbataillon, 5 Feldersatzbataillone) war der Bedarf naturgemäß am größten. Das Sicherungsbataillon und die Feldersatzbataillone bekamen fast alle ihre Fahrzeuge aus der materiellen Mob-Ergänzung.
    Insgesamt benötigte eine Panzer-/Panzergrenadierdivision 8.000 Reservisten, um bei Mobilmachung auf ihre Kriegsstärke von 25.000 Mann aufzuwachsen.

    Der Ablauf der Mobilmachung wurde mit dem Alarmsystem gesteuert. Bestimmte Alarmmaßnahmen lösten einzelne Mobilmachungsmaßnahmen aus. Die personelle und materielle Mob-Ergänzung der aktiven und nichtaktiven Truppenteile war in Kontingente und Teilkontingente eingeteilt, deren Aufruf an solche Alarmmaßnahmen gekoppelt war. Auch das aktive Rahmenpersonal - die „Korsettstangen“ der Geräteeinheiten während der Mobilmachung - war Kontingenten zugeteilt.
    Die Einteilung in Kontingente richtete sich nach Verbandstypen, Zugehörigkeit zu Großverbänden, operativen Aufgaben und vor allem Zeitbedarf bis zur Einsatzbereitschaft. Sie war aber immer ein Kompromiss, da Mobilmachung ein Kampf gegen die Zeit ist und es alle eilig haben. So gehörten Aufklärungs- und Fernmeldetruppen zu den frühesten Kontingenten. Dann folgten die mit dem großen Zeitbedarf zum Herstellen der Einsatzbereitschaft, zum Beispiel Logistik- und Sanitätstruppen, sowie Pioniere, die Sperren anlegen müssen. Die Kampftruppen kamen danach und zum Schluss die Ersatzbataillone.
    In diesen Kontingenten gehörte natürlich das aktive Rahmenpersonal und das Führungs- und Funktionspersonal der nichtaktiven Truppenteile immer zum ersten Teilkontingent, weil sie ja die Mob-Ergänzung aufnehmen mussten. Zum Führungs- und Funktionspersonal gehören die Führer und wichtigsten Unterführer sowie Spezialisten wie z.B. Schirrmeister, S 1-Feldwebel oder Materialnachweisfeldwebel.

    Die Deckung des Bedarfs an personeller und materieller Mob-Ergänzung war Aufgabe der Kreiswehrersatzämter. Die materielle Mob-Ergänzung, in einer Division überwiegend Kraftfahrzeuge und Umschlaggeräte, bereitete meistens keine großen Probleme, wenn die Kalenderführende Dienststelle sie termingerecht anforderte und in der Folge enge Verbindung zum Kreiswehrersatzamt hielt.

    Schwieriger war die personelle Mobilmachung. Das aktive Friedensheer war kein verkleinertes Abbild des Einsatzheeres nach Mobilmachung. Deshalb überstieg der Mobilmachungsbedarf etwa an Jägern und Sanitätern die Anzahl der während ihres aktiven Dienstes entsprechend ausgebildeten Reservisten bei weitem. Am dramatischsten war das Fehl bei den Sanitätern. Genauso schwierig wie die bedarfsgerechte Beorderung der Reservisten war die Einteilung aktiven Rahmenpersonals für die Geräteeinheiten.

    Die Auffassung, ein fast nur aus Reservisten bestehendes Bataillon werde wenige Tage nach einer Mobilmachung voll einsatzbereit sein, hatte sich bei kritischer Begleitung mehrerer Mobilmachungsübungen als Wunschdenken erwiesen. Je komplexer der Truppenteil und je kürzer die Intervalle, in denen neues Gerät eingeführt wurde, desto wichtiger waren erfahrene aktive Offiziere und Feldwebel als „Korsettstangen“. Dieses aktive Rahmenpersonal wurde besonders beim Führungs- und Funktionspersonal benötigt.

    Mobilmachungsvorbereitungen
    Für die Vorbereitung der Mobilmachung der nichtaktiven Truppenteile oder Geräteeinheiten waren die Kalenderführenden Dienststellen verantwortlich. ("Geräteeinheit" ist bis ca. 1990 die offizielle, aber mißverständliche Bezeichnung für nichtaktive Truppenteile.) Zu ihrer Unterstützung war in den STAN der nichtaktiven Truppenteile Friedenspersonal in unterschiedlicher Anzahl vorgesehen, für ein Bataillon ein Offizier und ein Feldwebel, die für organisatorische und personelle Mobilmachungsvorbereitungen zuständig waren. Dieses Kaderpersonal arbeitete in der Regel im Stab der Kalenderführenden Dienststelle.
    Außerdem war je Geräteinheit ein „Kompaniefeldwebel Geräteinheit“ vorgesehen, der für Verwaltung und Wartung des im Mob-Stützpunkt eingelagerten Materials verantwortlich war. Die Anzahl seiner wenigen überwiegend zivilen Helfer richtete sich nach Art und Menge des eingelagerten Materials. In der Praxis war ein großer Teil der zivilen Friedensdienstposten aus Geldmangel nicht besetzt.

    Die Aufnahme der Mob-Ergänzung für aktive Truppenteile war, wenn gut vorbereitet, nicht schwierig.
    Für Geräteeinheiten in Bataillonsgröße dagegen war die Mobilmachung eine Herkulesaufgabe, da dafür zu Beginn der Mobilmachung zuerst nur die wenigen aktiven Soldaten des Friedenspersonals zur Verfügung standen und dann das aktive Rahmenpersonal.

    Die Mobilmachung der Geräteeinheiten fand im Mob-Stützpunktsystem statt, das sich aus den Elementen
    - Mob-Stützpunkt (Lagerhallen in Kasernen oder Gerätelager außerhalb von Kasernen)
    - Gestellungsort Personal
    - Gestellungsort Material
    - Mob-Unterbringungsobjekt
    zusammensetzte.

    Im Mob-Stützpunkt war das schon im Frieden vorhandene Material untergebracht, das von ein paar Mann Friedenspersonal gewartet und verwaltet wurde.

    Am Gestellungsort Personal meldeten sich die als personelle Mobilmachungsergänzung einberufenen Reservisten.

    Am Gestellungsort Material lieferten die Leistungspflichtigen die materielle Mobilmachungsergänzung ab. Dazu wurden Einrichtungen erkundet, die für eine Untersuchung der Kraftfahrzeuge auf Verkehrs- und Betriebssicherheit geeignet waren.

    Die Kalenderführenden Dienststellen erkundeten die Gestellungsorte Personal bzw. Material und teilten sie dem Kreiswehrersatzamt für die Ausfertigung der Einberufungs- und Leistungsbescheide mit. Dieses Verfahren war zwar sehr zeitaufwendig und bedurfte der ständigen Aktualisierung, stellte aber die Verfügbarkeit der benötigten Einrichtungen mit einiger Zuverlässigkeit sicher.

    Als Mob-Unterbringungsobjekte wurden von den Kalenderführenden Dienststellen geeignete zivile Objekte (Hotels, Gasthöfe, Jugendherbergen, Sporthallen und dergleichen) erkundet und ihre Nutzung beim Kreiswehrersatzamt angemeldet. Denn in der Regel gab es in den Mob-Stützpunkten keine Unterkünfte für die mobilgemachten Soldaten, auch in solchen in Kasernen nur sehr selten.

    Je näher Mob-Stützpunkt, Gestellungsorte und Mob-Unterbringungsobjekt zusammen lagen, desto einfacher war das Zusammenführen des im Frieden eingelagerten Materials und der Mobilmachungser-gänzung. Mob-Unterbringungsobjekte, die zentral gelegen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar waren, wurden zugleich als Gestellungsort für die personelle Mob-Ergänzung festgelegt.

    Die Ausbildung der Reservisten für ihre Mobilmachungsverwendung fand in Einzelwehrübungen und Mobilmachungsübungen (MobÜb) statt. Der Mobilmachungsplan sah mehrere Formen von MobÜb vor, die sich nach dem vordringlichen Übungszweck, der Dauer und der Häufigkeit unterschieden.

    MobÜb eines aktiven Truppenteils:
    - jährlich 12 Tage mit der personellen Mob-Ergänzung oder Reservisten aus Personalersatz füh-renden Verbänden,
    - Übungszweck: Mobilmachung, Verbessern des Ausbildungsstandes, Gefechtsübung

    MobÜb einer Geräteeinheit:
    - alle zwei Jahre 12 Tage mit der beorderten personellen Mob-Ergänzung und dem aktiven Rah-menpersonal,
    - Übungszweck: Mobilmachung, Herstellen der Einsatzbereitschaft, Verbessern des Ausbildungs-standes, Gefechtsübung

    MobRahmenÜb eines Personalersatz führenden Verbandes:
    - alle drei Jahre sechs Tage nur mit dem Führungs und- Funktionspersonal aus aktivem Rahmen-personal und Reservisten,
    - Übungszweck: Mobilmachung, Weiterbildung des Führungs- und Funktionspersonals sowie der Ausbilder.

    MobÜb mit materieller Mob-Ergänzung:
    - auf Anordnung BMVg, mit aktivem Rahmenpersonal,
    - Übungszweck: Aufnahme, Zustandsprüfung und Rückgabe der materiellen Mob-Ergänzung.
    - Meistens kombiniert mit einer anderen Form der Mobilmachungsübung.

    Mob-AlarmÜb:
    - auf Übungsalarmbefehl des BMVg zwei bis drei Tage mit der beorderten personellen Mob-Ergänzung und dem aktiven Rahmenpersonal,
    - Übungszweck: Alarmierung und Mobilmachung.

    Alle Formen von Mob-Übungen wurden möglichst langfristig vorgeplant und das aktive Rahmenpersonal frühzeitig kommandiert und die Reservisten frühzeitig einberufen; natürlich nicht bei Mob-Alarmübungen.
    Mob-Übungen mit materieller Mob-Ergänzung und Mob-Alarmübungen fanden jährlich nur in sehr wenigen Truppenteilen statt, weil sie hohe Kosten verursachten.
    Die Mobilmachung konnte meistens nicht im Mob-Stützpunktsystem geübt werden, da die benötigten Objekte in Friedenszeiten nicht verfügbar waren.

    Nicht alle Reservisten traten bei Mobilmachung oder Mob-Übung an. Zum Ausgleich planten die Truppenteile für die Mobilmachung einen Sicherheitszuschlag von fünf Prozent und bei Mob-Übungen einen Übungszuschlag von bis zu 25 Prozent aus dem Personalersatz ein.

    Die Art und Weise, wie die Reservisten bei einer Mob-Übung aufgenommen wurden, war entscheidend für die Motivation während der Mob-Übung und die Akzeptanz weiterer Wehrübungen. Lange Warteschlangen und stundenlanges „Herumhängen“ war für die Motivation tödlich.
    Der Mobilmachungsplan gab den Ablauf der Aufnahme der personellen Mob-Ergänzung im Groben vor: Registrierung, Ausgabe Truppenausweis, Überprüfung der persönlichen Ausrüstung, sanitätsdienstliche Befragung, Ausgabe der persönlichen ABC-Schutzausstattung, Zuweisung der Unterkunft.
    Es war Aufgabe der Kalenderführenden Dienststelle, die Aufnahme der personellen Mob-Ergänzung im Einzelnen zu organisieren, angepasst an die örtlichen Verhältnisse und personellen Möglichkeiten, sowohl für eine Mpb-Übung als auch für die "scharfe" Mobimachung. Dabei galt es, einen guten Mittelweg zwischen Üben unter realistischen Bedingungen (knappes Rahmenpersonal) und straffer Dienstgestaltung ohne Leerlauf (großer Personalbedarf) zu finden. Ganz wesentlich war eine begleitende Information der Reservisten während der Aufnahme.

  23. Folgende 11 Benutzer sagen "Danke" zu alterfritz für den nützlichen Beitrag:

    Alex (03.06.2017), EmilBerggreen (15.01.2016), kato (20.08.2018), Maeks (16.01.2016), Malefiz (20.08.2018), mayster (14.01.2016), messu (14.01.2016), Nemere (14.01.2016), suedbaden (15.01.2016), trince (18.01.2016), wernerg (14.01.2016)

  24. Direkt antworten
Seite 1 von 4 1234 LetzteLetzte

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Ähnliche Themen

  1. Alarmierung und Bewegung zu den Einheiten bei Angriff mit kurzer Vorwarnzeit
    Von Colonel Dash Rendar im Forum Allgemeines, Medien & Termine
    Antworten: 49
    Letzter Beitrag: 24.06.2013, 19:26

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •