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Thema: Raumverteidigung

  1. #1
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    Standard Raumverteidigung

    Hallo zusammen,

    in einer österreichischen Zeitschrift fand ich folgenden Artikel:

    https://www.truppendienst.com/themen...orland-teil-3/

    Gruß aus der Pfalz

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  3. #2
    Cold Warrior Avatar von Nemere
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    Hallo,

    Ich füge als Ergänzung im Anhang eine kurze Zusammenfassung des Konzepts der Raumverteidigung aus einem österreichischen Taktik-Handbuch von 1987 bei.

    Gut beschrieben ist die Problematik auch bei:
    Pleiner, Horst: Strategisches Denken im Alpenraum aus österreichischer Sicht von 1955 bis in die Gegenwart, In: Krüger, Dieter / Schneider, Felix (Hrsg.): Die Alpen im Kalten Krieg. Historische Raum, Strategie und Sicherheitspolitik (Beiträge zur Militärgeschichte, 71) München 2012, S. 131 – 157.
    Auszugsweise hier:
    https://books.google.es/books?id=MMD...page&q&f=false

    Hier sind auch zahlreiche weitere Literaturhinweise zu finden.

    Das österreichische Bundesheer konnte für die Ausbildung in diesen Kampfverfahren auf wirklich brauchbare Handbücher aus der Reihe „Truppendienst-Taschenbücher“ zurückgreifen. Auch dazu füge ich einige Beispiele bei. Ich habe diese Bücher immer sehr gerne als Ergänzung zu unseren doch recht trockenen und abstrakten HDv und ZDv herangezogen, ähnlich wie die schweizerische Reihe „Gefechtstechnik“.


    Ein ähnliches Konzept mit „Schlüsselzonen“ und „Raumverteidigung“ verfolgte auch die deutsche Reichswehr ab etwa 1925. Auch hier hatte man erkannt, dass man mit dem 100.000-Mann Heer und technologischer Unterlegenheit mit einer konventionellen linearen Verteidigung erfolglos bleiben würde. Beim Truppenamt als Ersatzorganisation des verbotenen Generalstabs entwickelte man Kleinkriegskonzepte und umfassende Sperrvorbereitungen. Die Ausbildung im Jagdkampf nahm in den Vorschriften der Reichswehr im Vergleich mit anderen Armeen einen großen Raum ein.

    Daneben plante die Reichswehr auch einen Partisanenkrieg unter Beteiligung weiter Volksteile. Es war beabsichtigt, das ganze Reichsgebiet zum Kriegsschauplatz werden zu lassen, der Angreifer sollte gezwungen werden, sich durch ein enges Netz aus Hinterhalten, Stützpunkten und vorbereiteten Sperranlagen regelrecht "durchzufressen". Dazu wurden für das ganze Reichsgebiet „Zerstörungskarten“ angelegt, in denen die im Kriegsfall zu sprengenden Brücken und Verkehrsbauten verzeichnet waren. Das ganze Repertoire des „Flächenkriegs in tiefsten Räumen“ (so der damalige Fachbegriff) wurde bis 1935 in vielen Kriegsspielen und Manövern erprobt, wahrscheinlich ohne dass die betroffene Bevölkerung etwas davon ahnte.

    Siehe dazu:
    Bald, Detlef: Zur "strategischen Defensive" - ein Rückblick auf ein Verteidigungskonzept in der Reichswehr, In: Sicherheit und Frieden 3/86 S. 138 – 142.

    Neugebauer, Karl-Volker: Operatives Denken zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, In: MGFA (Hrsg.): Operatives Denken und Handeln in deutschen Streitkräften im 19. und 20 Jahrhundert. (Vorträge zur Militärgeschichte, 9) Herford 1988. S. 97 – 122.

    Velten, Wilhelm: Das deutsche Reichsheer und die Grundlagen seiner Truppenführung. Entwicklung, Hauptprobleme und Aspekte. Untersuchungen zur deutschen Militärgeschichte der Zwischenkriegszeit, Bergkamen 1994.

    Geyer, Michael: Aufrüstung oder Sicherheit. Die Reichswehr in der Krise der Machtpolitik 1924 - 1936. Wiesbaden 1980. S. 99 ff.

    Grüße
    Jörg
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    alterfritz (26.12.2016), kato (27.12.2016), palatinat (26.12.2016)

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  6. #3
    Cold Warrior Avatar von Dragoner
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    Interessant, wie die Selbstblendung bis heute in der militärhistorischen Literatur fortdauert. Das Konzept der Raumverteidigung war dem notorischen Unwillen der politischen Führung geschuldet, ausreichende Mittel zur Landesverteidigung zur Verfügung zu stellen. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass Österreich eines der reichsten Länder Europas war und ist. General Spannocchi, den ich sehr schätze, hat versucht, das Beste aus dem Mangel zu machen. Ich habe nur noch dunkel einige Zahlen im Kopf, zum Beispiel den Munitionsvorrat, der bei den Landwehrverbänden allenfalls für 48 Stunden ausgereicht hätte. Danach: Durchschlagen der überlebenden Truppenteile in rückwärtige Zonen. Heißt: Unter Opferung einer erheblichen Zahl an Soldaten war in den Raumsicherungs- und Schlüsselzonen nie länger geplant, als 48 Stunden Verzögerung zu erreichen. Es gab keine nennenswerten Formationen zur Ausführung von massiven Gegenschlägen. Abgesehen von der Stärke waren deren Material und Ausrüstung in der Regel zwei bis drei Jahrzehnte hinter dem Stand von NATO und Warschauer Pakt zurück und damit obsolet. Es gab keine Luftstreitkräfte, die den Namen verdient hätten. Es gab keine terrestrische Luftverteidigung, die ein Gegner hätte ernst nehmen müssen. Kein Land an der Nahtstelle zwischen Ost und West ist im Kalten Krieg derart verantwortungslos mit seiner militärischen Verteidigung verfahren wie Österreich. Ihr merkt, ich krieg heute noch einen dicken Hals, wenn ich daran denke.

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  8. #4
    Cold Warrior Avatar von Nemere
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    Zitat Zitat von Dragoner Beitrag anzeigen
    Abgesehen von der Stärke waren deren Material und Ausrüstung in der Regel zwei bis drei Jahrzehnte hinter dem Stand von NATO und Warschauer Pakt zurück und damit obsolet. Es gab keine Luftstreitkräfte, die den Namen verdient hätten. Es gab keine terrestrische Luftverteidigung, die ein Gegner hätte ernst nehmen müssen.
    Du hast sicher recht mit dieser Kritik. Man sollte dabei aber nicht die militärischen Bestimmungen des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 vergessen, mit dem zum einen die staatliche Souveränität Österreichs wiederhergestellt, zum anderen aber dessen faktische Neutralität (wenn auch im Vertrag nicht explizit genannt) festgeschrieben wurde. Im Staatsvertrag heißt es in Artikel 13:

    Art. 13: Verbot von Spezialwaffen
    1. Österreich soll weder besitzen noch herstellen noch zu Versuchen verwenden:
    ....
    c) irgendeine Art von selbstgetriebenen oder gelenkten Geschossen, Torpedos sowie Apparaten, die für deren Abschuß und Kontrolle dienen,
    .....
    i) Geschütze mit einer Reichweite von mehr als 30 km,

    2. Die Alliierten und Assoziierten Mächte behalten sich das Recht vor, zu diesem Artikel Verbote von irgendwelchen Waffen hinzuzufügen, die als Ergebnis wissen¬
    schaftlichen Fortschritts entwickelt werden könnten.


    Den Vertrag kann man hier nachlesen:
    http://www.zaoerv.de/16_1955_56/16_1...90_2_621_1.pdf

    Punkt c) wurde bis 1990 dahingehend interpretiert, dass die österreichischen Streitkräfte keine Raketen, weder zur Luft- noch zur Panzerabwehr besitzen dürfen. Daher stützte sich die Panzerabwehr des Bundesheeres auf den Kanonenjagdpanzer Kürassier und die 106 mm rückstoßfreie PAK von Lohner, deswegen gab es keine Flugabwehrraketen und deswegen hatte die Flugzeuge keine Luft-Luft oder Luft-Boden-Raketen.

    Über den möglichen Erfolg oder Nichterfolg dieser Raumverteidigungskonzepte kann man trefflich streiten. Auch in der Bundesrepublik Deutschland gab es Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre breite Diskussionen zu diesem Thema (Uhle-Wettler, Afheldt usw.) bis hin zu einem Hearing im Bundestag. Letztlich konnten sich die Befürworter solcher Strategien nicht durchsetzen.

    Man sollte bei der Diskussion über die Verteidigungskonzepte Österreichs nie vergessen, dass die NATO ein vitales Interesse daran hatte, dass Österreich möglichst lange zumindest einen Angreifer verzögerte und "hinhaltenden Widerstand" leistete. Es standen für die Grenze zu Österreich kaum Truppen zur Verfügung. Planungen sahen hier z.B. die Luftlandebrigade 25, die Gebirgsjägerbrigade 23 oder (mobilzumachende) Heimatschutzbrigade 66 - alles keine Truppen, die man in diesem doch weitgehend offenen Gelände guten Gewissens einem überlegenen mechanisierten Angreifer gegenüber einsetzen konnte. Von weiteren obskuren Planungen, wie dem "Sperrverband Inn-Salzach" oder dem Einsatz von Feldausbildungsregimentern als eine Art moderner Volkssturm zur Grenzsicherung ganz zu schweigen.
    Als wirkungsvolle Verteidigungskräfte wären die als CENTAG-Reserve im Raum Ingolstadt liegende 10. PzDiv oder französische Kräfte in Frage gekommen, die allerdings erst herangeführt werden mussten. Dieses weiträumige Verlegen französischer Truppen (hier der F.A.R.) in den südbayerischen Raum war z.B. zentrales Thema der deutsch-französischen Großübung "Kecker Spatz" 1987

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    DeltaEcho80 (02.01.2017), Rex Danny (02.01.2017)

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  11. #5
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    Da es sich hier im Thema um Österreich und um die Raumverteidigung (inkl. der Sperr- und Befestigungsanlagen) allgemein handelt, habe ich das Thema entsprechend in das Forum Sperranlagen - Österreich - Sperranlagen allgemein verschoben.

    Grüße


    Rex Danny

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  13. #6
    Cold Warrior Avatar von Dragoner
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    Die Bestimmungen des Staatsvertrages sind mir natürlich bekannt. Sie lassen einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Darüber gab es auch mehrfach Diskussionen in militärischen wie politischen Kreisen und auch in der Öffentlichkeit. Das Ergebnis war allerdings immer dasselbe: die politischen Amtsträger haben z.B. das "Raketenverbot" als bequeme Ausrede benützt, um nicht tätig werden zu müssen. Die Sowjetunion war bis zum Ende des Kalten Kriegs aus naheliegenden Gründen gegen jegliche Modernisierung der österreichischen Streitkräfte, insbesondere mit Lenkwaffen. Aber was wäre schon passiert, hätte sich Österreich darüber hinweggesetzt? Diplomatischer Theaterdonner, mehr nicht.

    Ich finde übrigens auch diesen Beitrag des früheren Generaltruppeninspektors erhellend: http://www.bundesheer.at/facts/gesch..._tauschitz.pdf

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    alterfritz (03.01.2017), Nemere (03.01.2017), palatinat (03.01.2017)

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