Hallo Dragoner,
ich halte mich nicht für kompetent genug, um die Verteidigungskonzeption der Schweiz zu beurteilen. Über die Verteidigung der Arpad-Linie weiß ich zu wenig, um hier ein Urteil abgeben zu können.
Bei meinen Beiträgen oben habe ich versucht, historische Erfahrungen darzustellen, es lag mir aber fern, eine Wertung vorzunehmen oder aus der Vergangenheit treffsichere Rezepte für die Gegenwart oder Zukunft zu destillieren. Das kann eigentlich nur schiefgehen.
Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs ist man von der sog. „applikatorischen Methode“ der Militärgeschichte vollkommen abgekommen – mit Recht wie ich finde. Diese frühere Betrachtungsweise versuchte durch die Analyse von Schlachten gewissermaßen Kochrezepte für die zukünftige Kriegsführung zu gewinnen. So wollte man immer Schlieffen unterstellen, er habe versucht mit seinen „Sc hlieffenplan“ die 216 v. Chr. geschlagene Schlacht von Cannae als Musterbeispiel einer Vernichtungsschlacht auf moderne Zeiten zu übertragen. Der israelische Militärhistoriker Jehuda Wallach sieht den deutschen Generalstab in beiden Weltkriegen von diesem Vernichtungsschlacht-Denken geprägt und will darin eine der Ursachen für die deutschen Niederlagen erkennen (Wallach, Jehuda: Das Dogma der Vernichtungsschlacht. Die Lehre von Clausewitz und ihre Wirkung in zwei Weltkriegen, Frankfurt 1967).
Heute ist man längst von dieser Art der Beschäftigung mit Kriegsgeschichte abgekommen, man lehrt an den Offiziersschulen auch nicht mehr Kriegs-, sondern richtigerweise Militärgeschichte, weil man eben die Kriegführung vergangener Zeiten nicht als Blaupause auf die Gegenwart übertragen kann.
Was man dagegen sehr wohl aus vergangenen Zeiten übernehmen kann, sind die damals gemachten Erfahrungen, die allerdings aktueller Technik und Taktik angepasst werden müssen.
Vor diesem Hintergrund sehe ich meine Ausführungen oben.
Ich kann mir vorstellen, dass das Abstützen der Schweizer Verteidigung auf die Befestigungsanlagen zum einen in der Topographie des Geländes begründet war. In der Schweiz gibt es nur im Alpenvorland Gelände für mechanisierte Verbände und auch das nur begrenzt. Zum anderen verfügte die Schweiz erst relativ spät und dann nur über eine begrenzte Anzahl motorisierter bzw. mechanisierter Verbände. Die Masse der Truppe blieb der zu Fuß kämpfende und meist auch zu Fuß marschierende Infanterist, damit bleibt eine bewegliche Kampfführung gegen einen voll mechanisierten Gegner schwierig.
In der Bundeswehr war man sich der Problematik des Kampfes ohne vorbereitete Stellungen nach meinen Erfahrungen durchaus bewusst. Ich erinnere mich noch deutlich an einige Aussagen unserer Fachlehrer an der Offiziersschule zu dieser Thematik. Der Artillerist sprach geradezu voller Ehrfurcht immer von der „bärenstarken russischen Artillerie“, um dann auf die Wichtigkeit von Stellungen in Kellern oder zumindest ausgebauten Feldstellungen hinzuweisen. Der Taktiklehrer meinte in Ergänzung dazu, dass abgeschraubte Leitplanken eine vorzügliche Abdeckung für Kampfstände wären. Beide betonten aber immer wieder, dass die Auflockerung und die bewegliche Kampfführung von größter Bedeutung für eine erfolgreiche Abwehr wären.
Grüße
Jörg