Hallo,
Letztes Jahr erschien ein Buch, das sich mit der Rolle der „Organisation Gehlen“ und des Bundesnachrichtendienstes bei der Wiederbewaffnung der Bundeswehr befasst:
Keßelring, Agilolf:
Die Organisation Gehlen und die Neuformierung des Militärs in der Bundesrepublik (Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945-1968, Band 6), Berlin 2017.
Die Auszüge bei Google-Books:
https://books.google.de/books?id=YFF...page&q&f=false
habe ich mir am Wochenende etwas näher angesehen. Auch wenn Seiten in dieser Leseprobe fehlen, es ist auf jeden Fall hochinteressant.
Der Autor hatte Zugang zu Aktenmaterial des BND bis zum Jahre 1968, danach greifen immer noch Archivsperrfristen.
Ausführlich wird in dem Buch auf die durch den BND gesteuerten militärischen Notfallplanungen der Jahre zwischen 1948 und 1955, also bis zur Aufstellung der Bundeswehr eingegangen. Der BND scheint dabei die Aufgaben eines nicht vorhandenen Generalstabs wahrgenommen zu haben.
Das letzte Kapitel befasst sich mit dem geplanten Einsatz des BND im Verteidigungsfall und mit „Stay-Behind-Organisationen“ (ab S. 378). Anscheinend waren für die Mobilmachung des BND eine ganze Reihe von „Tarn-Truppenteilen“ bei der Bundeswehr vorgesehen, u.a. zwei eigene Fernmeldebataillone für die Nachrichtenverbindungen (S. 402 ff, S. 411).
In der Kriegsgliederung des BND erscheint dann auch eine Abteilung „A“ für „Aktion“ (S. 416 ff.). Diese Abteilung war offenbar in Anknüpfung an die „Brandenburger“ des 2. Weltkriegs für die Durchführung von Kommando- und Sabotageunternehmen im Feindgebiet, für Kleinkriegs- oder Guerrilla-Unternehmen und für subversive Aktionen vorgesehen.
Eine Schule des BND für subversive Operationen mit der internen Bezeichnung 404/III wurde 1964 durch die Bundeswehr als „Lehr- und Ausbildungsgruppe für Fernspähwesen (LAFBw)“ aufgestellt, verlegte 1968 nach München und wurde ab 1969 getarnt als Wallmeistergruppe des Wehrbereichs VI geführt.
Für den Verteidigungsfall stellte das BMVg dem BND die Luftlande-Lehr- und Versuchskompanie der Luftlande/Lufttransportschule aus Schongau für Kommandoeinsätze zur Verfügung (S. 451).
Natürlich hätte die LLVsuKp im V-Fall durch Mitarbeiter des BND ergänzt werden müssen, die dort dienenden Wehrpflichtigen hätte man kaum für Einsätze des BND verwenden können.
Diese quellenmäßig belegte Einsatzoption einer Bundeswehreinheit für den BND war zumindest mir in dieser Deutlichkeit neu. Es wurde zwar immer gemunkelt, dass die Luftlandeschule und die Fernspäher eng mit dem BND und der CIA zusammenarbeiten würden, es war allgemein bekannt, dass in den Schongauer Ausbildungseinrichtungen, z.B. im Sauwaldhof, BND und CIA ausgebildet wurden. Im Umkreis von Schongau fanden auch immer wieder Übungen mit dunkel angemalten Flugzeugen und Hubschraubern ohne Nationalitätenkennzeichen statt.
Dieser geplante Einsatz der LLVsuKp für den BND erklärt auch einige andere Besonderheiten dieser Einheit. Normalerweise waren alle Lehrtruppenteile Teil eines Großverbandes und trugen auch die entsprechende Ordnungsnummer: Die Panzer-Lehrbrigade 9 als Teil der 3. Panzerdivision, das Pionierlehrbataillon 210 gehörte zum II. Korps, das Lehr-FmBtl 9 zur 1. Luftlandedivision. Bei der LLVSuKp 909 war das nicht der Fall. Schon die 900er Nummer zeigte an, dass diese Kompanie direkt dem BMVg unterstand.
In den 1980er Jahren war ich in München im Stab des FJgBtl 760. Wir hatten in den Panzerschränken die gesamte Aufmarschplanung für Süddeutschland. Man ist ja manchmal neugierig und so habe ich mir damals auch den Marschkredit für die LLVSuKp 909 angeschaut, weil ein guter Kamerad dort als Zugführer war. Und siehe da – diese Kp war nicht etwa bei der LL-Div im Einsatz, sondern marschierte in Gegenden, wo man eigentlich keine Lehr- und Versuchskompanie gebrauchen konnte, was ich mir damals natürlich nicht erklären konnte. Im Lichte dieses Buches wird es klarer.
Grüße
Jörg