Ich habe einen interessanten Bericht eines Wehrmachts-Generals zu Erfahrungen in der Verteidigung hinter Flüssen an der Ostfront gelesen. Generalleutnant Friedrich Hoßbach, Kommandierender General des XXXXVI. Panzerkorps im August 1943, in der Phase des Abbruch des „Unternehmens Zitadelle“ im Frontbogen von Kursk und dem anschließenden Rückzug auf den Dnjepr, schreibt dazu:
„Die deutsche höchste Führung hatte aber keinerlei vorsorgliche Maßnahmen für einen defensiven Entscheidungskampf am Dnjepr getroffen. Weder war die Barriere des Stromes zu Verteidigungszwe-cken von langer Hand ausgebaut, noch standen frische, unverbrauchte Kräfte zur Aufnahme der auf den Dnjepr zurückgehenden Divisionen zur Verfügung."
Weiter stellt er die Frage, ob Flüsse, „wie Rhein, Elbe und alle anderen Flüsse auf dem europäischen Festland", überhaupt ein „unüberwindliches Naturhindernis" bilden können. „Die Vorstellung, daß die Verteidigung hinter Strömen und Flüssen in großer Unterlegenheit und mit weniger Kraftaufwand als in normalen Stellungen geführt werden könne, wird nach den Erfahrungen des letzten Krieges nicht aufrecht zu erhalten sein. Das Naturhindernis bildet nur dann für den Verteidiger einen Kraftzuwachs, wenn es selbst und das feindliche Vorgelände in voller Breite und großer Tiefe unter lückenlosem Feuer der Erd- und Luftwaffen gehalten werden kann, zahlreiche taktische Reserven zu sofortigem Gegenstoß zur Schlachtentscheidung verfügbar sind. Die moderne Verteidigung ist häufig mehr ein beweglicher Kampf um tiefe Flächen als um die Hauptkampflinie.“
Quelle: Friedrich Hoßbach, Streiflichter aus den Operationen des Südflügels der Heeresgruppe Mitte vom Juli 1943 bis April 1944, in: Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift 117 (1951), H. 4, S. 251-269.
https://www.e-periodica.ch/cntmng?pi...1951:117::1194
Übertragen auf die Zeiten des „Kalten Krieges“:
Ob von Seiten der NATO das lückenlose Feuer der Erd- und Luftwaffen in voller Breite und vor allem Tiefe des feindlichen Vorgeländes z.B. an Elbe und Elbe-Seitenkanal zur Verfügung gestanden hätte, lasse ich mal dahingestellt.
Für die ersten Jahre der NATO, als man noch am Rhein verteidigen wollte, traf das garantiert nicht zu.
Zumindest haben sich später aber I. (GE) und II. (GE) Korps bemüht, ausreichend Reserven zu schaffen. Im Falle des II. Korps waren es nach 1985 immerhin annähernd 2 Divisionen, allerdings auf Kosten einer zumindest in Teilen fragwürdigen Verteidigung am VRV durch die nicht sehr bewegliche Luftlandedivision. Mit dieser Division wäre der „bewegliche Kampf um tiefe Flächen“ nicht möglich ge-wesen.
Beim I. Korps scheint mir das nicht so gelungen zu sein, weil NORTHAG hier die eventuell freien Kräfte als Reserven an sich zog, so dass nach meinem Kenntnisstand das I. (GE) Korps nicht mal eine Division als Reserve hatte.