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Thema: Geplanter Einsatz chemischer Kampfstoffe durch die Bundeswehr - 1964

  1. #1
    Cold Warrior Avatar von Nemere
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    Standard Geplanter Einsatz chemischer Kampfstoffe durch die Bundeswehr - 1964

    Ich bin über einen Bericht des BMVg von 1964 gestolpert, in dem es um die Ausrüstung der Bundeswehr mit und den Einsatz von chemischen Kampfstoffen durch die Bundeswehr ging – siehe Anlage.
    Aufschlußreich ist die damalige völkerrechtliche Situation (S. 3, Punkt II.): Die Bundesrepublik hatte zwar auf die Herstellung chemischer Kampfstoffe verzichtet, nicht aber auf Besitz, Lagerung und Einsatz im Rahmen von Repressalien.
    Leider fehlen mit einer Ausnahme die Anlagen zu diesem Bericht, vorhanden ist lediglich die aber recht interessante Anlage 8 zum Thema Logistik der chemischen Kampfstoffe. Man rechnete mit etwa 14.000 t chemischer Sprengstoffmunition, für die drei zusätzliche Teil-Depots unter Führung eines eigenen Depotstabes plante – 1964 gab es noch keine Versorgungskommandos.
    Chemische Munition für die Geschütze der Artillerie wäre damals um 20% teurer gewesen als konventionelle Munition, ein Gefechtskopf der Rakete „Honest John“ mit chemischen Kampfstoffen dagegen hätte 200 % mehr gekostet. Die „Honest John“ war 1964 bei den Raketenartilleriebataillonen der Divisionen vorgesehen, der Mehrfachraketenwerfer war damals noch in der Planung, wird allerdings in der Studie bereits angesprochen.
    Man hat sich 1964 also durchaus eingehende Gedanken über den Einsatz von C-Kampfstoffen durch die Bundeswehr gemacht, in späteren Jahren war das kein großes Thema mehr. Man konnte dann immer mit dem Finger auf den „bösen“ Warschauer Pakt mit seinen großen Vorräten an C-Kampfstoffen zeigen und sich selber als den moralischen Saubermann präsentieren. Ich halte die Vorgehensweise anno 1964 für wesentlich realistischer und im Sinne der Abschreckung glaubhafter, wie es auf S. 5 des Berichts formuliert ist:
    „Nur die „Vergeltungsfähigkeit“ auch mit B/C-Waffen kann eine Abschreckungswirkung erzielen.“
    Gerade bei B/C-Waffen gibt es das sehr lehrreiche Beispiel des 2. Weltkriegs. Alle teilnehmenden Staaten hatten B/C-Waffen, zu einem Einsatz ist es wegen der Gefahr, das dann der Gegner auch auf diese Waffen zurückgreifen könnte, nicht gekommen – von einigen wenigen Zwischenfällen, die sich meist als Unfälle herausstellten, abgesehen.
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  2. Folgende 7 Benutzer sagen "Danke" zu Nemere für den nützlichen Beitrag:

    DeltaEcho80 (21.02.2022), Keiler29 (25.02.2022), Malefiz (22.02.2022), matrix (21.02.2022), palatinat (20.02.2022), spanier (20.02.2022), uraken (19.02.2022)

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  4. #2
    Cold Warrior Avatar von Hoover
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    Meines Wissens war der Einsatz von C-Waffen von beiden Seiten im Kriegsfalle als gesetzt gesehen. Bis in den frühen 1980er Jahren wöre das ein Massensterben gewesen, weil gerade die NATO eher schelcht mit ABC-Schtzausrüstung ausgestattet war. Das änderte sich ja erst mit dem Blücher (Ausrüstung etwa für 25% der Soldaten vorhanden) und ab 1978 mit dem Overgament, wo die Ausstattung für fast 75% der Soldaten mögich war.

    Mein alter ABC-Lehrer sagte uns (Afang der 1990er) dass die WP-Ausrüstung zwar zu 100% vorhanden gewesen sei, der IEnsatz auch weitaus mehr geübt wurde als in der Bundeswehr, aberdie Erschöpfung der Trägerer sehr viel schneller einsetzen würde.

    Zum Thema C-Waffen im 2. Wk kann ich Olaf Groehlers "Der lautlose Tod" empfehlen. Zwar zu Zeiten der DDR geschrieben, aber gut mit Zahlen und Quellen versehen.

    Dass sich die Budneswehr Gedanken über den Einsatz von C-Waffen machte halte ich für völlig normal. Im V-Falle hätten sie den Mist sicher von den Amerikanern ohne viel Aufhebens bekommen. Zumal die ballistischen Daten ähnlich waren wie bei den Sprenggranaten.
    "Damals, als ich in meinem Alter war..."

  5. Folgender Benutzer sagt Danke zu Hoover für den nützlichen Beitrag:

    Malefiz (21.02.2022)

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  7. #3
    Cold Warrior Avatar von DeltaEcho80
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    Wiederum ein sehr interessantes Thema, vielen Dank, lieber Nemere.

    Man hat sich 1964 also durchaus eingehende Gedanken über den Einsatz von C-Kampfstoffen durch die Bundeswehr gemacht, in späteren Jahren war das kein großes Thema mehr. Man konnte dann immer mit dem Finger auf den „bösen“ Warschauer Pakt mit seinen großen Vorräten an C-Kampfstoffen zeigen und sich selber als den moralischen Saubermann präsentieren. Ich halte die Vorgehensweise anno 1964 für wesentlich realistischer und im Sinne der Abschreckung glaubhafter, wie es auf S. 5 des Berichts formuliert ist:
    „Nur die „Vergeltungsfähigkeit“ auch mit B/C-Waffen kann eine Abschreckungswirkung erzielen.“
    Gerade bei B/C-Waffen gibt es das sehr lehrreiche Beispiel des 2. Weltkriegs. Alle teilnehmenden Staaten hatten B/C-Waffen, zu einem Einsatz ist es wegen der Gefahr, das dann der Gegner auch auf diese Waffen zurückgreifen könnte, nicht gekommen – von einigen wenigen Zwischenfällen, die sich meist als Unfälle herausstellten, abgesehen.
    So sehe ich das auch - das Thema verschwand irgendwann ganz tief unten im Stapel. Dass "was" in der BRD gelagert worden war, sieht man ja auch an der (hier im Forum auch angeschnittenen) Operation Lindwurm.

    Hierzu eine in meinen Augen sehr interessante Geschichte aus der Endphase des dritten Reiches: Der Vater meines Biologie - und Chemielehrers war an führender Stelle innerhalb der Wehrmacht an der (Weiter-)Entwicklung von Chemiewaffen beteiligt und hier mit der "Verfeinerung" der Lost-Kampfstoffe beauftragt. Irgendwann war man sich innerhalb dieses Stabes bewusst, was diese Waffen für eine "Sauerei" sind. Die Herren Chemiker (alles Wissenschaftler und Offiziere) hatten sich dann stillschweigend darauf geeinigt, dass man die Präsentation des Ergebnisses (wir sind soweit...) solange raus zögern wollte, bis der Krieg vorbei war. Dies hat man auch geschafft. Unser Lehrer hat aber immer erzählt, dass sein Vater berichtete, dass selbst A.H. aufgrund seiner Erfahrungen aus dem WK I sehr zurückhaltend war, was dieses Thema betraf. Dies geht auch aus den Unterlagen und Tagebuch-Aufzeichnungen des Vaters hervor.

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  9. #4
    Cold Warrior
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    Zitat Zitat von Hoover Beitrag anzeigen
    Zum Thema C-Waffen im 2. Wk kann ich Olaf Groehlers "Der lautlose Tod" empfehlen. Zwar zu Zeiten der DDR geschrieben, aber gut mit Zahlen und Quellen versehen.
    Bei Groehler kann man gut nachlesen, dass Chemiker der IG-Farben 1936 bei der Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln eher zufällig auf den ersten Nervenkampfstoff stießen (Tabun), diese Entdeckung dann im Auftrag der Wehrmacht, die nach einen neuen wirksameren Kampfstoff für einen Überraschungsangriff suchte, weiterentwickelten (Sarin, Soman), so dass am Kriegsende insgesamt etwa 13.000 Tonnen Nervenkampfstoffe vorhanden waren.
    Die eigens dafür errichtete Fabrik der IG Farben an der Oder bei Dyhernfurt nahe Breslau wurde Anfang Februar 1945 durch ein eigens dafür gebildetes Spezialkommando zerstört, die Reste der Kampfstoffe wurden aus den Rohrleitungen und Tanks in die Oder gepumpt, damit der anrückenden roten Armee keinesfalls dieses Kampfstoffwerk in die Hände fallen würde.
    Bei einem Tieffliegerangriff amerikanischer Jagdbomber auf den thüringischen Bahnhof Lossa am 8. Febr. 1945 wurde anscheinend ein u.a. mit Nervengasgranaten beladener Güterzug getroffen, dabei soll Tabun frei geworden sein.
    Zur Entwicklung von B- und C- Waffen seit 1914 insgesamt ist auch empfehlenswert: Harris, Robert/ Paxman, Jeremy: Eine höhere Form des Tötens. Die unbekannte Geschichte der B- und C-Waffen, München 1985

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  11. #5
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    Ich halte das Buch von Harris und Paxman für das Beste was zu dem Thema geschrieben wurde. Da gibts verschiedene neuere Auflagen, die überarbeitet wurden. -

    In Halle gab es die Orgacid Werke, die bis zum Ende des Krieges LOST produzierten. Die Russen haben angefangen zu sanieren. Der Boden war aber auch durch andere Verursacher so kontaminiert, dass heute gar nicht mehr genau zugeordnet werden kann, weshalb saniert wird:
    https://www.mz.de/lokal/halle-saale/...n-sagt-1486341

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  13. #6
    Cold Warrior Avatar von Hoover
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    Eine höhere Form des Tötens
    Kannte ich noch nicht. Gleich bestellt, 3 € bei Amazon.
    "Damals, als ich in meinem Alter war..."

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