Gestern in der HNA:
rasdorf. Über 100 Mitglieder soll die DDR-Kameradschaft "Geyer” nach eigenen Angaben haben. Auf dem Jahrestreffen 2003 der DDR-Grenztruppen hielt der Major a.D. Gerhard Lehmann eine Rede, die unserer Zeitung in schriftlicher Form vorliegt. In der Rede erwähnt der Major die Erfolge seiner Kameradschaft: Im Juli 2000 habe man es geschafft, einen Sitz im Museumsbeirat zu erhalten. Damit war das Ziel erreicht, das Grenzmuseum von innen heraus zu beeinflussen. Major Lehmann: "Wollten wir Verzerrungen von außen bekritteln, würde man uns als Unbelehrbare, ewig Gestrige in die Schmuddelecke stellen.”
Für das Grenzmuseum, das 2004 über 65 000 Besucher hatte, ist der Verein Point Alpha verantwortlich. Dessen Vorsitzender, Berthold Dücker (Chefredakteur der Südthüringer Zeitung) kann die Kritik, im Museum werde die DDR-Sicht zu sehr in den Vordergrund gerückt, nicht verstehen. Dücker: "Es geht darum, die Dinge, die sich in 40 Jahren abgespielt haben, so authentisch wie möglich darzustellen." Dies sei ein schwieriger Prozess, und es seien dazu auch Gespräche mit Ex-DDR-Grenzern nötig.
Die Kameradschaft "Florian Geyer" und Major Lehmann kenne er persönlich, sagt Dücker. Auch habe er sich in Point Alpha mit Klaus Dieter Baumann getroffen, um über das Museum zu reden. Klaus Dieter Baumann war DDR-General und Chef der Grenztruppe. Er war vom Landgericht Berlin wegen Totschlags und versuchten Totschlags zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Nach der Verbüßung der Hälfte der Strafe war er vom Berliner Senat begnadigt worden. Das hatte zu heftigen Protesten geführt.
Mit Baumgarten und auch mit Major Lehmann habe er über die Museumskonzeption gesprochen, so Dücker. Seitdem sind die DDR-Grenzer auch im Museumsbeirat vertreten. Dass als Ergebnis die Mauer-Opfer zu kurz kämen, könne er nicht nachvollziehen, sagt Berthold Dücker: "Wir waren die Ersten, die den Opfern ein Denkmal errichtet haben." Außerdem würde in wechselnden Ausstellungen auf das Schicksal der Opfer hingewiesen. Die Dauerausstellung könne das Thema nur "anreißen". Geschult würden die Führer etwa von der Volkshochschule des Wartburgkreises. Darunter seien auch ein oder zwei ehemalige Grenzer gewesen. Dücker: "Das alles ist ein ganz, ganz schwieriger Prozess. Aber es nützt nichts, wenn wir uns gegenseitig anschweigen."
Der Komplex Schusswaffengebrauch ist in der Ausstellung mit dem Zitat des früheren DDR-Verteidigungsministers Heinz Keßler überschrieben: "Es hat nie einen Schießbefehl gegeben.” Überhaupt geht die Ausstellung mit den Maueropfern lieblos bis zynisch um. Zitat von einer Schautafel: Der 20-jährige Chris Gueffroy sei am 6.2.89 an der Mauer das "letzte Opfer des nicht existierenden Schießbefehls" gewesen - "ein tragisches Schicksal unter hunderten". Dafür huldigen die DDR-Grenzer dem Schicksal der früheren Kameraden Waldemar Estel und Rudi Arnstadt mit einem Schrein samt Gedenktafel. Estel und Arnstadt waren unter mysteriösen Umständen vom Bundesgrenzschutz erschossen worden.